218. Jesus zieht sich in die Stadt Ephrem zurück

(Joh 11)

 

I Jesus wird im Hohen Rat angeklagt

Da beriefen die Hohenpriester und Pharisäer den Hohen Rat und sagten: «Was fangen wir an, da dieser Mensch so viele Wunder wirkt? Lassen wir Ihn so gewähren, dann werden alle an Ihn glauben. Alsdann kommen die Römer und nehmen uns Land und Volk.»

Die Feinde des Heilands beschließen endgültig seinen Tod. Ihr Beispiel zeigt dir, wohin Stolz, Eifersucht, Ehrgeiz und Parteilichkeit den Menschen führen können. Diese ungerechten Richter machen dem Herrn einen Vorwurf daraus, daß Er Wunder wirkt und durch sein Wort die Seelen an sich zieht. Hätte nicht der gewaltige Einfluß der Lehre Jesu, die selbst widerstrebende Herzen zur Übung der schwersten Tugenden bewog, und die Fülle der von Ihm gewirkten Wunder sie von der Göttlichkeit seiner Sendung überzeugen müssen?

Aber wenn Er die Menge für sich gewinnt, so werden diejenigen, die bisher das Volk täuschten, ihren Einfluß verlieren. Wenn Er die Demütigen erhöht, muß Er die Stolzen erniedrigen; wenn Er dem Reich der Ungerechtigkeit ein Ende macht, so müssen die Vertreter dieser Herrschaft das Feld räumen. Zwischen Jesus und seinen Feinden entfesselt sich ein Kampf auf Leben und Tod. Daher fragen sie sich: «Was sollen wir tun? All unsere Versuche, seine Anhänger von Ihm abwendig zu machen, sind fehlgeschlagen, Er ist in der Achtung des Volkes nur gestiegen. Alle Zweifel, die wir gegen seine Wunder vorbrachten, haben nur dazu gedient, sie noch glaubwürdiger zu machen. Das Volk ist für Ihn, und wenn wir nicht rechtzeitig einschreiten, wird es sich gegen uns empören. Was sollen wir tun?»

 

II Kaiphas und die Mitglieder des Hohen Rates beschließen, Jesus zu töten

Einer aber von ihnen, Kaiphas, der in jenem Jahr Hoherpriester war, erwiderte ihnen: «Ihr versteht nicht und bedenkt nicht, daß es für euch besser ist, wenn ein Mensch für das Volk stirbt, als wenn das ganze Volk zugrunde geht.»1 Von diesem Tag an waren sie entschlossen, Ihn zu töten.

Der Hohepriester ergreift das Wort und ruft voller Stolz den Mitgliedern des Rates zu: «Ihr wißt nichts.» Sie sind seiner Ansicht nach zu ängstlich. Keiner von ihnen wagt es offen, von einer Hinrichtung Jesu zu sprechen. Nicht, als ob ihr Gerechtigkeitsgefühl sie davon abgehalten hätte; sie fürchteten nur, das Unternehmen möchte mißlingen. Es liegt ihnen wenig am Leben des Heilands, aber sie sind sich bewußt, daß sein Tod vielleicht ernstliche Unruhen heraufbeschwören würde. Kaiphas wird über ihr Zögern ungeduldig: «Versteht ihr denn nicht, daß es besser ist, wenn ein Mensch für das ganze Volk stirbt?» ruft er ihnen zu. Nein, sie begreifen es nicht, und er selbst ist nicht imstande, die Bedeutung seiner Worte zu erfassen.

Erhebe deine Gedanken zum himmlischen Vater, der bei jeder Beratung den Vorsitz führt, dem alle Pläne und Beschlüsse bekannt sind und der die Herzen der Menschen lenkt. Hätten der Hohepriester und seine Ratsherren begriffen, daß es eines Sühnopfers bedurfte, um für ihre eigenen Sünden und die Sünden des Volkes Genugtuung zu leisten, dann hätten sie wohl in Jesus dieses Opfer erkannt und Gott gedankt, daß Er seinen eingeborenen Sohn für sie dahingab. Sie hätten ein Bußgewand angelegt und wären Jesus voll Andacht und Liebe zum Opferaltar gefolgt. Aber sie sind zu stolz, um ihre Sünden zu erkennen und einzugestehen. In ihren Augen ist Jesus der Schuldige. Die ewige Weisheit wird trotzdem ihre barmherzigen Absichten ausführen. Alle, die daran glauben, werden das Heil erlangen. Bete für die Bekehrung der Ungläubigen!

1 Der Überlieferung gemäß wurde dieser Beschluß nicht in Jerusalem gefaßt, sondern auf einer benachbarten Anhöhe, die «Berg des schlechten Rates» heißt. Kaiphas besaß dort ein Landhaus.

 

III Jesus entgeht den Nachstellungen seiner Feinde

Darum bewegte sich Jesus nicht mehr öffentlich unter den Juden, sondern zog sich von dort in die Gegend nahe der Wüste in eine Stadt mit Namen Ephrem zurück.

Folge dem Herrn in die Einsamkeit, wohin Er sich zurückzieht, und verkoste das tiefe Glück des vertrauten Umgangs mit dem Heiland.

Bewundere in Vereinigung mit Ihm die göttliche Vorsehung, die selbst die Anschläge der Gottlosen ihren geheimnisvollen Absichten dienstbar macht. Der himmlische Vater hat um unseres Heils willen in den blutigen Tod seines vielgeliebten Sohnes eingewilligt. Bringe Ihm den Dank der ganzen Menschheit dar, und bitte Ihn, daß deine Seele und die Seelen aller, die dir anvertraut sind, durch die sühnende Kraft des Blutes Jesu Christi gerettet werden. Sei bereit, gleich deinem Erlöser Haß und Verfolgung zu ertragen, und opfere dich ganz zur größeren Ehre Gottes auf.