212. Von der Ehe und der Jungfräulichkeit

(Mt 19, Mk 10, Lk 16)

 

I Die Heiligkeit und Unauflöslichkeit der Ehe

Da traten Pharisäer zu Ihm mit der Frage, ob es einem Mann erlaubt sei, seine Frau zu entlassen. Damit wollten sie Ihn auf die Probe stellen. Er sprach zu ihnen: «Was hat euch Moses geboten? Im Anfang der Schöpfung hat Gott den Menschen als Mann und Frau geschaffen. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und die beiden werden ein Fleisch sein.»

Komm zum göttlichen Meister und laß dich von Ihm belehren, wie heilig die eheliche Liebe sein soll! Man fragt Ihn, ob es aus irgendeinem Grund erlaubt sei, das Eheband zu lösen. Jesus beantwortet diese Frage, indem Er auf die Absicht Gottes bei der Einsetzung der Ehe hinweist. Es ist Gottes Wille, daß die leibliche Vereinigung zur innigsten Lebensgemeinschaft führe. Gott bezweckt eine vollkommene Verschmelzung der Interessen und Übereinstimmung der Grundsätze, Er legt ihnen gleiche Pflichten gegeneinander und eine gleiche Verantwortung auf. Diese von Gott gewollte Vereinigung ist ihrem innersten Wesen nach unlöslich. Sie ist die feste Grundlage, auf der das Familienleben ruht. Denke über diese Lehre nach und danke dem himmlischen Vater, daß Er dich in einer christlichen Familie aufwachsen ließ!

«Was nun Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen.» Die Ehe soll Halt und Stütze finden in der Liebe, die alle Geschöpfe ihrem Schöpfer schulden. Gott ermahnt die Menschen: «Bedenkt, daß ich euch zusammengefügt habe und daß eure Verbindung nur durch mich Bestand hat!» Ohne den Beistand der göttlichen Gnade ist eine reine, heilige Liebe unmöglich, sie allein bewahrt das Menschenherz vor Fehltritten und Verführung. Wenn meine Liebe nicht in Gott und aus Gott ist, so kann das höchste Erdenglück die Sehnsucht meines Herzens nicht stillen.

Die Ehe ist also göttlich in ihrem Ursprung und daher ein heiliger Stand. Jesus Christus hat diese Vereinigung zur Würde eines Sakramentes erhoben, um die Grundlage der Familie unter allen Verhältnissen sicherzustellen. Die sakramentale Gnade gibt den Eheleuten Kraft, in allen Lebenslagen ihre Pflicht zu erfüllen. Die Seelen, die sich in Gott lieben, werden in ihrer Liebe nie erkalten, ihre Eintracht und ihr Glück werden beständig zunehmen.

 

II Die Vorzüge der Jungfräulichkeit

Zu Hause fragten Ihn die Jünger nochmals darüber: «Wenn die Sache des Mannes mit seiner Frau sich so verhält, so ist es nicht gut zu heiraten.»

In dieser Bemerkung der Jünger zeigt sich ihre Unvollkommenheit. «Wenn man das, was man gegeben hat, nicht zurücknehmen darf, wenn die Bande der Ehe unauflöslich sind, dann ist es ja besser, sich nicht zu binden.» So sprechen Menschen, die noch sehr irdisch gesinnt sind. Es scheint ihnen, als ob Selbstverleugnung und Glück unvereinbar seien. Sie möchten sich die Freiheit vorbehalten, diese Verbindung nach Belieben zu lösen. Höre, wie Jesus sie zu höheren Anschauungen und Wünschen führt! «Nicht alle fassen dies, sondern nur die, denen es gegeben ist. Denn es gibt Menschen, die vom Mutterschoß an zur Ehe unfähig sind. Es gibt solche, die von Menschen unfähig gemacht sind, und es gibt solche, die um des Himmelreiches willen der Ehe entsagen. Wer es fassen kann, der fasse es.» — Gewiß ist es schön, vereint zu arbeiten, zu kämpfen, zu leiden und sich zu freuen. Es ist ein erhabener Beruf, neuen Geschöpfen das Leben zu schenken und ihnen unsere Erkenntnis, unsere Hoffnungen und unser Streben nach dem höchsten Gut mitzuteilen, aber es gibt noch Höheres. Nur auserwählte Seelen verstehen die Schönheit dieses höheren Berufs; mit ihnen hat Gott andere Absichten. Er behält sich ihre Herzen vor, um unumschränkt darin zu herrschen. Er flößt ihnen das Verlangen ein, sich großmütig Ihm zum Opfer zu bringen. Diese Herzen geben der Welt nichts und nehmen nichts von ihr an, sie kosten schon hienieden die Freuden des Himmels. Sie entsagen dem Fleisch, um nach dem Geist zu leben; in einem menschlichen Leib führen sie das Leben der Engel.

Suche das Verständnis für diese letzten Worte des Heilands in dir zu vertiefen! Gehörst du zu jenen, die Gott mit Verständnis für das jungfräuliche Leben begnadigt hat? Ist dir die göttliche Schönheit der Jungfräulichkeit offenbart worden und liebst du sie, oder hegst du wenigstens das Verlangen, sie zu schätzen, wie sie es verdient?

Gib dir Rechenschaft über deine geheimsten Neigungen! Opfere dem göttlichen Heiland dein Herz auf mit der inständigen Bitte, alle ungeordnete Lust darin abzutöten und es ganz mit seiner Liebe zu erfüllen!