211. Von der Ankunft des Reiches Gottes

(Lk 17, Mt 24)

 

I Die erste Ankunft Jesu in der Verborgenheit

Die Pharisäer fragten Ihn, wann das Reich Gottes komme. Er antwortete ihnen: «Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerem Gepränge. Man kann nicht sagen: Hier ist es oder dort. Das Reich Gottes ist in euch.»

Erwecke in deinem Herzen den Wunsch, das Reich Jesu Christi über die Mächte der Finsternis triumphieren zu sehen, und von diesem Verlangen beseelt, wende dich an Ihn mit der Frage, die auch die Pharisäer lebhaft beschäftigt: «Wann kommt das Reich Gottes? Du hast schon so oft davon geredet, wann wird deine Verheißung in Erfüllung gehen?»

Vernimm die Antwort des Herrn: «Das Reich Gottes ist in euch. Ihr verlangt zu wissen, wann meine Herrschaft ihren Anfang nehmen wird, und ich antworte euch: Ich habe schon lang von meinem Reich Besitz ergriffen und herrsche darin.»

Das Königtum Jesu Christi hat also nichts gemein mit weltlicher Machtentfaltung. Jesus will einzig über die Seelen herrschen, und dazu bedarf es keines äußeren Glanzes. Er kommt, um den Geist der Menschen der Wahrheit und ihr Herz der Gerechtigkeit zu unterwerfen, Er kommt, um die Menschen aus der Sklaverei des Teufels und der Sünde zu befreien. Dazu bedarf es keiner Heeresmacht, Er trägt den Sieg durch sein bitteres Leiden und Sterben davon. Im vertrauten Verkehr mit Ihm sollen die Menschen die Tugend üben lernen, darum meidet Er allen äußeren Glanz, der Ihm die Herzen entfremden könnte.

Mein König beraubt sich aller Ehre, Er erniedrigt sich, um mir gleich zu werden. Er strebt nach keinem anderen Ruhm, als mein Herz zu erobern, und so neigt Er sich zu meiner Niedrigkeit herab, kommt mir unauffällig und einfach auf meinem Lebensweg entgegen, damit ich vertrauensvoll meinen Blick zu Ihm erhebe, gern seinen Worten lausche und mich Ihm freudig unterwerfe.

Versenke dich in diese Gedanken! Besuche im Geist die heiligen Stätten, wo der Heiland bei seiner ersten Ankunft geweilt hat: Bethlehem, Nazareth und all die Ortschaften, die Er durchwandert hat, um zu dir zu kommen, und all die stillen Plätze, wo Er für dich gebetet hat! Huldige deinem König und entsage angesichts seiner tiefen Erniedrigung jedem Wunsch nach Ehre vor den Menschen!

 

II Die zweite Ankunft Jesu zum Gericht

Weiter sprach Er zu seinen Jüngern:1 «Es werden Tage kommen, da ihr gern nur einen von den Tagen des Menschensohnes sehen möchtet, aber ihr werdet Ihn nicht sehen. Man wird zu euch sagen: Hier ist Er, dort ist Er! Geht nicht hin und lauft ihnen nicht nach! Denn wie der Blitzstrahl von einem Ende des Himmels bis zum andern leuchtet, so wird es auch mit dem Menschensohn sein an seinem Tage.»

Denke über diese großartige letzte Ankunft des Menschensohnes nach! Er wird alsdann einen Triumph feiern, der all seine Leiden und Verdemütigungen voll und ganz aufwiegt, und an dieser Siegesfeier, die der himmlische Vater selbst Ihm bereitet, wirst auch du teilnehmen. An jenem Tag werden alle Geschöpfe Jesus Christus als ihren höchsten Herrn anerkennen müssen. Der Glanz seiner Gottheit, den Er während seines Erdenlebens verbarg, wird herrlich erstrahlen und durch diese Offenbarung allein wird die göttliche Weisheit und Vorsehung gerechtfertigt werden. Jesus gibt seinen Jüngern zu verstehen, daß sie bis zur Ankunft jenes Tages viel Geduld werden üben müssen. «Die Tage nach meinem Hinscheiden werden überaus schmerzlich für euch sein. Der Halt, den meine sichtbare Gegenwart euch bietet, wird euch entzogen, und ihr werdet den schweren Lebenskampf allein kämpfen müssen. Aber verliert deshalb den Mut nicht! Seid stark im Glauben und achtet nicht auf die Stimme der Verführer, die euch das Vertrauen rauben wollen! Ich werde einst wiederkommen, und alsdann werden alle Menschen sich vor mir beugen müssen. Wohl jenen, die unbeirrt an mich geglaubt haben!»

So spricht der Sohn Gottes, unterwirf dich seinem Wort! Es bleiben dir nur wenige Jahre, vielleicht wenige Tage, um dich auf die Ankunft des göttlichen Richters vorzubereiten und dir ein gnädiges Gericht zu sichern. Welches Schicksal harrt deiner und jener, die dir nahestehen? Was siehst und hörst du in deiner Umgebung? Ist nicht Grund genug zu fürchten, daß der Zorn Gottes sich bald über diese sündige Welt entladen werde? Flehe den göttlichen Heiland an, in seiner Kirche beredte Stimmen und großmütige Herzen zu erwecken, um die leichtsinnige Menge, die der Hölle zustrebt, auf den Weg des wahren Lebens zurückzuführen! Bete vor allem für jene, die dir lieb sind!

1 Hier ist der Gedanke einzuschalten: Da das Reich Gottes in euch ist, so beeilt euch, in dasselbe einzutreten. Macht euch meine Gegenwart zu Nutzen, denn die Zeit drängt, und es werden Tage kommen...