207. Das Gleichnis vom reichen Prasser

(Lk 16)

 

I Der Weg zur Hölle

Jesus sprach: «Es war ein reicher Mann1, der kleidete sich in Purpur und feine Leinwand und hielt alle Tage glänzende Gelage. »

Habe wohl acht auf die Worte des Herrn, erinnere dich, daß Er nur das schildert, was Er selbst gesehen hat. Jesus spricht von der Hölle und zeigt, wie man dahin gelangt, welche Qualen die Verdammten erdulden und was wir tun müssen, um vor diesem schrecklichen Schicksal bewahr! zu bleiben. Bemühe dich, die Bedeutung der Parabel zu erfassen, damit, wenn jemals die Liebe zu Gott nicht mehr hinreichen sollte, dich auf dem rechten Weg zu bewahren, wenigstens die Furcht vor der ewigen Verdammnis dich darauf zurückhalte oder zurückführe! Auf welchem Weg gelangt man in die Hölle? Auf dem Weg der Abkehr von Gott. Im Taumel der Vergnügungen, der Sinnenlust und der eitlen Ehre vergißt man die Gebote Gottes. Wirf einen Blick in das Haus des reichen Prassers, von dem Jesus redet. Da zeugt alles von Luxus und Wohlleben, jeder Lust wird dort gefrönt. Das sind die Netze, in denen der Teufel seine Opfer fängt, um sie mit sich in das ewige Verderben zu reißen.

«Ein Armer aber mit Namen Lazarus lag voller Geschwüre krank vor seiner Tür. Gern hätte er sich mit den Abfällen vom Tisch des Reichen gesättigt, aber niemand gab sie ihm. SeIbst die Hunde kamen und leckten an seinen Geschwüren.» — Vergleiche eingehend dieses Leben der Wollust mit dem Elend, den Leiden und der Verlassenheit des armen Lazarus. Betrachte aber auch das Ende ihres Lebens. Den einen beraubt der Tod, den anderen beschenkt er mit Gütern.

«Da starb der Arme und wurde von den Engeln in den Schoß Abrahams getragen. Aber auch der Reiche starb und wurde in der Hölle begraben.» — Im Augenblick des Todes treten die höllischen Geister an das Prunkbett des reichen Prassers, während Engel das Sterbelager des armen Lazarus umgeben. Wer beschreibt die entsetzliche Enttäuschung des einen und die unaussprechliche Freude des anderen? Der Gedanke daran wird dir helfen, das Irdische richtig zu beurteilen.

1 Man zeigt in Jerusalem das Haus des reichen Prassers. Einer glaubwürdigen Überlieferung gemäß entspricht die Parabel der Wahrheit. Das Haus liegt am Leidensweg in der Nähe des Ortes, wo Simon von Cyrene dem Herrn begegnete.

 

II Die Qualen des Verdammten

«Da rief er: Vater Abraham! Erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er seine Fingerspitze ins Wasser tauche und meine Zunge kühle, denn ich leide große Qual in dieser Feuersglut!»

Was leidet man in der Hölle? Sieh, welches Los den Verdammten für alle Ewigkeit bereitet ist! Betrachte zuerst die Schmach der Hölle! Welchen Platz nimmt der Verdammte in der Schöpfung ein? Er ist tief unter die niedrigsten Geschöpfe herabgesunken. Wenn er den Blick hebt, so gewahrt er unermeßlich hoch über sich den armen Bettler, auf den er einst so stolz herabgeblickt hat und den er für nichts geachtet hat. Jetzt hat er mit ihm die Rolle getauscht und gehört nun selbst zum Auswurf der Schöpfung. Das ist die Strafe für seinen Stolz.

Was bleibt ihm übrig von allen Gütern, die er auf Erden besaß? Damals hatte er an allem Überfluß, jetzt leidet er in jeder Hinsicht Mangel. Flehentlich bittet er um einen Tropfen Wasser. Suche die Pein dieser äußersten Entblößung zu erfassen! Wer auf dieser Welt nichts hat, hat immer noch den lieben Gott, und somit fehlt ihm eigentlich nichts, denn in Gott findet man Ersatz für alles andere. Dem Verdammten aber bleibt gar nichts, für ihn ist alles verloren, weil er Gott verloren hat. Gott hat seine Güte, seine Liebe und Barmherzigkeit von ihm weggenommen, ihn gleichsam aus seinen Gedanken ausgestoßen. Damit sind alle Quellen des Glücks für den Verdammten versiegt. Das ist die Strafe für seine Selbstsucht und seine Ausschweifungen.

Was hat er gegen die sündhaften Freuden eingetauscht? Durch die Sünde hat er sich von Gott losgesagt und der ewigen Seligkeit beraubt. Er hat sich selbst das Urteil der Verwerfung gesprochen. Aber der Verlust Gottes ist nicht die einzige Strafe, welche die göttliche Gerechtigkeit dem Schuldigen auferlegt. Höre sein Schmerzensgeschrei: «Ich leide große Pein in dieser Flamme.» Er ist zum ewigen Feuer verdammt, und Gott erhält ihm das Dasein nur, um ihn diese furchtbare Qual erdulden zu lassen. Das ist die Strafe für seine Gottlosigkeit.

Vergeblich sinnt er auf ein Mittel, seinem Schicksal zu entrinnen, aus dem Abgrund der Hölle steigt kein Verdammter je wieder empor. Der Himmel selbst bezeugt die Ewigkeit der Höllenstrafe, da Abraham dem ununglücklichen Prasser zuruft: «Zu alledem starrt zwischen uns und euch eine weite Kluft, so daß keiner von hier zu euch hinübergehen noch einer von dort herüberkommen kann, auch wenn er wollte.» Die furchtbarste Strafe der Verdammten ist die ewige Dauer ihrer Qualen. Das nach dem Tod gefällte Urteil bleibt für alle Ewigkeit in Kraft, es gibt nur ewige Glückseligkeit oder ewige Verdammnis.

Beklage den Unglücklichen, dessen Schicksal Jesus schildert, und nimm dir die ernste Lehre, die dieser Parabel zugrundeliegt, tief zu Herzen!

 

III Mittel, der Verdammung zu entgehen

«Jener fuhr fort: Dann bitte ich dich, Vater, sende ihn in mein Vaterhaus. Ich habe noch fünf Brüder, die soll er warnen, damit nicht auch sie an diesen Ort der Qual kommen.»

Was muß man tun, um vor den ewigen Höllenqualen bewahrt zu bleiben? Das wird dir klar werden, wenn du über die Antwort nachdenkst, die dem reichen Prasser zuteil wurde. Er bat um Erbarmen für seine Brüder und möchte ihnen gern einen Boten senden, um sie zu warnen. Aber er erhält zur Antwort: «Sie haben Moses und die Propheten, auf die sollen sie hören.» Gott hat ihnen Mittel genug an die Hand gegeben, um selig zu werden, wenn sie guten Willen hätten. In den Büchern des Gesetzes finden sie mit untrüglicher Klarheit den Weg vorgezeichnet, dem sie folgen müssen, um nicht in den Abgrund der Hölle zu stürzen.

Könnte denn das Zeugnis eines Auferstandenen mehr Beweiskraft haben, als das Zeugnis des menschgewordenen Gottes, der den Himmel verließ, um uns zu belehren und zu leiten? Der wahrhaft christlichen Seele genügt das Evangelium als Richtschnur ihres Lebens. Preise die Weisheit Gottes, die sich in dem furchtbaren Geheimnis seiner strafenden Gerechtigkeit offenbart! Sage seiner unendlichen Barmherzigkeit Dank, daß sie dich bisher verschont hat, und schreite mutig voran auf dem steilern Pfad, der zum Himmel führt!