206. Das Gleichnis vom ungerechten Verwalter

(Lk 16)

 

I Jesus warnt vor dem Mißbrauch der Gaben Gottes

Ferner sprach Er zu seinen Jüngern: «Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter. Dieser wurde bei ihm angeschuldigt, er vergeude sein Vermögen. Er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was muß ich von dir hören? Gib Rechenschaft von deiner Verwaltung! Du kannst nicht länger mein Verwalter bleiben.»

Schließe dich den Jüngern des Heilands an, und höre in Sammlung das Gleichnis, das der göttliche Meister ihnen vorträgt! Er will ihnen durch diese Erzählung nochmals die Lebensaufgabe des Menschen und sein Verhältnis zu Gott klarmachen.

Du selbst bist jener ungerechte Verwalter, der vor den Richterstuhl seines Herrn gerufen wird. Man hat am Thron Gottes Klage gegen dich erhoben. Alle Seelen, denen du jemals Ärgernis gegeben, der Teufel, der dich so oft besiegt, dein Schutzengel, den du manches Mal betrübt, und das Blut Christi, dessen Wirksamkeit du vereitelt hast, sind die Ankläger, die dich beschuldigen. Alsdann wird der Herr zu dir sprechen: «Ich habe erfahren, daß du meine Güter verschleuderst. Du mißbrauchst zu deiner eigenen Befriedigung die Gaben, die ich dir zur Beförderung meiner Ehre anvertraute. Anstatt mit Eifer meine Interessen wahrzunehmen, verbringst du deine Tage in Leichtsinn und Müßiggang. Du läßt meine Güter verkommen und schädigst mein Ansehen. Gib Rechenschaft von deiner Verwaltung!»

Diese Worte sollen dir zum Bewußtsein bringen, daß der Mensch auf Erden nur der Verwalter der Güter Gottes ist. Gott verlangt von ihm die Treue eines Verwalters, und dafür will er ihn einst belohnen. Erforsche dein Gewissen und bereite dich vor, deinem Herrn Rechenschaft abzulegen!

 

II Jesus mahnt uns, dem drohenden Strafgericht zuvorzukommen

«Da dachte der Verwalter bei sich: Was soll ich anfangen, da mein Herr mir die Verwaltung nimmt? Graben kann ich nicht, zu betteln schäme ich mich. Ich weiß, was ich tue, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich der Verwaltung enthoben bin.«

Alles, was man dem Verwalter vorwirft, ist wahr. Er hat wirklich das Vermögen seines Herrn verschwendet. Er hat mehr zu seinem eigenen Nutzen als zum Vorteil seines Herrn gewirtschaftet. Er hat das Vertrauen seines Herrn mißbraucht, um sich dessen Rechte anzumaßen und sich seine Güter anzueignen. Aber so hoffnungslos seine Sache auch scheint, er läßt sich nicht entmutigen, sondern sucht nach einem Ausweg. Lerne vom ungerechten Verwalter, wie man sich scheinbar unüberwindlichen Schwierigkeiten gegenüber zu verhalten hat! Gewiß ist seine Handlungsweise verwerflich, aber die Idee, die ihr zugrunde liegt, verdient Beachtung.

Der Verwalter denkt mit Schrecken an die Schande, die ihm bevorsteht. «Zu betteln schäme ich mich. Ich kann es nicht ertragen, als Bettler dort aufzutreten, wo ich bisher in größtem Ansehen stand.» Er kennt die Strenge seines Herrn, er glaubt an die Gefahr, und deshalb beschließt er, sofort zu handeln, ohne sich darauf zu verlassen, daß durch irgendein unerwartetes Ereignis seine Lage sich vielleicht bessern werde.

Er sinnt auf ein Mittel, dem drohenden Strafgericht zu entgehen. Er überlegt, fragt andere um Rat und scheut keine Mühe, da es gilt, seine Zukunft sicherzustellen. Als Ergebnis seiner Überlegung erkennt er, daß es am besten ist, sich diejenigen zu Dank zu verpflichten, die ihm später nützlich sein könnten. Daher läßt er alle Schuldner seines Herrn kommen und trifft mit ihnen ein trügerisches Abkommen. Laß diesen Betrug außer acht, merke dir nur, wie sehr er für seine Zukunft besorgt ist! «Ich habe ein Mittel gefunden, um mein Soll und Haben wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Ich weiß nun, was ich zu tun habe, um meinen Verlust zu decken und den schlimmen Folgen zu entgehen, die der Zorn meines Herrn nach sich ziehen wird. Meine Zukunft ist gesichert.» Wende diese Erwägung auf dein eigenes Leben an!

«Anerkennend sprach sein Herr: Er hat klug gehandelt, denn die Kinder dieser Welt sind ihresgleichen gegenüber klüger als die Kinder des Lichtes.» Ja, bedenke, mit welchem Eifer die Weltmenschen sich abmühen, um einen vergänglichen und sehr unsicheren Gewinn zu erhaschen. Beschämt es dich nicht, daß du Gott so nachlässig dienst, obwohl Er dir einen unendlich kostbareren und ewigen Lohn verheißt?

 

III Jesus gibt uns ein Mittel, unser ewiges Heil sicherzustellen

«Auch ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit sie euch, wenn es einmal zu Ende geht, in die ewigen Wohnungen aufnehmen.»

Beachte, welchen Schluß Jesus aus dem Gleichnis zieht! Es ist gerecht und vernünftig, daß wir auf das Erlangen der ewigen Güter wenigstens ebensoviel Sorgfalt verwenden, wie die Bösen auf den Gewinn oder die Bewahrung irdischer Reichtümer. Deshalb sagt Jesus: «Macht euch Freunde mittels des ungerechten Reichtums! Verteilt euer Besitztum an die Armen und Bedürftigen, seid barmherzig, um dadurch die Gnade der Rechtfertigung zu erlangen!»

Der Heiland bezeichnet also die Werke der Barmherzigkeit als ein vortreffliches Rettungsmittel sündenbeladener Seelen, die vor den Werken der Buße zurückschrecken. Die Linderung des menschlichen Elends wird solchen Seelen gleichsam zum Sakrament, das ihnen den Himmel erschließt. Die göttliche Gerechtigkeit wird besänftigt und gewährt dem Sünder eine neue Frist zur Bekehrung. So werden die Armen zu Mittlern zwischen Gott und ihren Wohltätern und erstatten mit Zinsen, was man ihnen gegeben hat. Darum sei gut und freigebig gegen sie, und Gott wird auch dir einst gnädig sein!