158. Jesus verläßt Galiläa

(Joh 7)

 

I Jesus weigert sich, die eigennützigen Wünsche seiner Verwandten zu erfüllen

Indes nahte das jüdische Laubhüttenfest.1 Da sagten seine Brüder 2 zu Ihm: «Geh weg von hier und zieh nach Judäa, damit auch Deine Jünger die Werke sehen, die Du vollbringst. Denn niemand wirkt im Verborgenen, der öffentlich bekannt sein will, zeige Dich offen der Welt!»

Geselle dich wieder zum Heiland und höre, wie seine Verwandten in Ihn dringen, seine Wundermacht auf recht auffallende Weise zu offenbaren. «Zeige Dich der Welt», sagen sie. «Benutze die Gelegenheit, die sich Dir bietet, um von Dir reden zu machen. Wenn Du eine solche Gewalt empfangen hast, sollst Du sie auch vor der Welt kundtun.»

So sprechen Menschen, die nicht an das Evangelium glauben oder es mit ihrem Glauben nicht ernst nehmen. Ein verborgenes Leben scheint ihnen unerträglich, und für die Demut, die sich allen öffentlichen Ehrenbezeugungen entzieht, haben sie nur Verachtung. Ihr Leben richtet sich ganz auf äußere Dinge. Ist ein solcher Zustand nicht beklagenswert? Wie ist es möglich, daß der Weltgeist sich selbst in der nächsten Umgebung Jesu noch so geltend macht? Weder seine Worte noch sein Beispiel haben Ihn ganz verdrängen können.

Wie steht es in dieser Beziehung mit dir? Hörst nicht auch du manchmal in deinem Innern die verführerische Stimme, die dir zuflüstert: Zeige dich! Und übt nicht diese Stimme eine gewisse Gewalt über dich aus? Fühlst du nicht, wie du noch voller Eitelkeit, Ehrgeiz und Hochmut bist? Lerne das verborgene Leben lieben und versuche zu ergründen, welch reiche Schätze es umschließt! Je mehr du die Ruhe des verborgenen Lebens suchst, um so mehr wird Gott sich dir offenbaren.

1 Es war wohl gegen Mitte September, als die Karawanen sich zur Reise nach Judäa anschickten, um in Jerusalem das Laubhüttenfest zu feiern.

2 Unter diesem Ausdruck muß man hier, wie auch an anderen Stellen, die Verwandten des Herrn verstehen.

 

II Jesus erklärt den göttlichen Willen als die einzige Richtschnur seines Handelns

Jesus antwortete: «Geht ihr nur hinauf zu dem Fest, ich gehe noch nicht hinauf zu diesem Fest, weil meine Zeit noch nicht gekommen ist.» So sprach Er und blieb in Galiläa.

Erwäge die Antwort Jesu. «Meine Stunde ist noch nicht gekommen.» Jesus wird seine Macht und Herrlichkeit offenbaren, wenn seine Stunde gekommen sein wird, das heißt zu dem Zeitpunkt, den der himmlische Vater bestimmt hat. Er lebt in gänzlicher Abhängigkeit vom himmlischen Vater und sucht in all seinem Tun und Lassen nur den göttlichen Willen zu erfüllen. Wie der Meister ist, so soll auch der Jünger sein. Bitte daher den Heiland, dir diese Gesinnung mitzuteilen! Da du Gott angehörst, mußt du dich in all deinen Wünschen nach ihm richten und dich willig von seiner väterlichen Vorsehung leiten lassen.

Jesus bleibt in Galiläa. Benütze die Gelegenheit zum vertrauten Zwiegespräch mit Ihm und nimm den Platz jener ein, die Ihn verlassen! Leiste Genugtuung für all jene, die nicht glauben und seine Lehre nicht verstehen! Verschließe deine Sinne allem Weltlärm, und Jesus wird dir das Heiligtum seines Herzens erschließen. Tritt ein, und im vertrauten Umgang mit dem Heiland wirst du dein Glück finden.