146. Jesus, der Sohn Gottes

(Mt 17,Lk 9, Mk 9)

 

I Der himmlische Vater bezeugt Jesus als Sohn Gottes

Während er noch redete, kam eine Wolke und überschattete sie. Sie fürchteten sich, als jene in die Wolke eintraten. Aus der Wolke aber rief eine Stimme: «Dieser ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören.»

Finde dich abermals auf dem Tabor ein! Wenn es dir auch nicht möglich ist, dauernd dort zu wohnen, so darfst du wenigstens oft dahin zurückkehren. Bitte den göttlichen Heiland um einen kleinen Anteil an der Freude, die Er dort die Seinigen verkosten läßt!

Die Stimme des himmlischen Vaters läßt sich vernehmen. Wirf dich mit den Aposteln zur Erde nieder! Jesus führte sie auf den Berg, dem Vater entgegen und lud sie zum einsamen Gebet ein, damit sie besser vorbereitet wären, seine Stimme zu vernehmen. Lausche auch du und bemühe dich, diese göttliche Stimme mit deiner ganzen Seele, deinem ganzen Verstand und deinem ganzen Herzen zu erfassen!

«Dieser ist mein vielgeliebter Sohn! Seht Ihn, den ich liebe und an dem ich mein Wohlgefallen habe. Wenn ihr Ihm ganz angehört, werde ich auch euch zu den Meinigen zählen.» Beherzige diese göttlichen Worte! Noch leuchtet dir zu ihrem besseren Verständnis das Licht der Verklärung. Liebe den Sohn, um dadurch der besonderen Liebe des Vaters gewürdigt zu werden! «Ihn sollt ihr hören», fügt die Stimme vom Himmel bei. «Ich habe Ihn euch sowohl zum Erlöser als zum Lehrer gegeben. Hört auf Ihn, d.h. glaubt seiner Lehre, haltet seine Gebote, ahmt sein Beispiel nach und durchdringt euch mit seinem Geist. Hört auf Ihn, wenn Er euch drängt, eine bestimmte Gelegenheit zur Sünde zu meiden oder in diesem und jenem Punkt an eurer Besserung zu arbeiten, wenn Er euch anspornt, über eure Sinne, eure Augen, eure Zunge zu wachen, das Gebet eifrig zu üben und gegen alle gütig und dienstfertig zu sein!»

O meine Seele, versprich dem himmlischen Vater, der dir in seiner Liebe seinen Sohn gesandt hat, keinen anderen Meister zu wollen als Jesus! Bitte Ihn um einen Platz in der Schar seiner Jünger, und folge Ihm!

 

II Jesus verläßt mit den Aposteln den Tabor

Jesus trat hinzu, rührte sie an und sprach: «Steht auf, fürchtet euch nicht!» Sie erhoben ihre Augen, sahen aber niemand mehr als Jesus allein. Während sie vom Berg hinabstiegen1, gebot ihnen Jesus: «Erzählt niemand etwas von dieser Erscheinung, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.»

Das erste Wort, das Jesus nach der feierlichen Offenbarung an die Seinen richtet, lautet: «Steht auf. Fürchtet euch nicht! — Die Welt hat wieder ihr früheres Aussehen gewonnen, die Verklärung ist vorüber. Das himmlische Licht ist verschwunden. Aber ich bin bei euch geblieben. In mir findet ihr Ersatz für alles, darum faßt Mut!» So spricht der göttliche Meister zu seinen Jüngern. Licht und Trost gehen vorüber, aber Jesus wird dich nie verlassen. Genügt das nicht, um unter seiner Führung alles zu unternehmen und Ihm überallhin zu folgen?

Betrachte den Heiland noch einen Augenblick, ehe Er vom Gipfel des Berges herabsteigt! Er ist allein, aber Er gilt mehr und kann dich besser unterweisen als alle Gelehrten. Kein Strahlenkranz umgibt Ihn jetzt, aber der Blick seines Auges dringt bis in die geheimsten Tiefen der Seele und bringt Licht und Sicherheit. Jesus ist dein, Er liebt dich. Darum fasse Mut und Vertrauen! Steige mit den drei Aposteln ohne Bedauern vom Tabor, dem Berg des Trostes, herab!

Während sie nun vom Berg herabstiegen, gebot ihnen Jesus, sie sollten niemand erzählen, was sie gesehen hätten, bis ihr Menschensohn von den Toten auferstanden sei.

Die geistlichen Tröstungen sind ein Geheimnis des Herzens Jesu, das Er uns anvertraut. Sei dessen eingedenk, und gib es nicht preis!

Wovon spricht Jesus beim Hinabsteigen vom Tabor? Von den Leiden und der Schmach, welche die Welt Ihm und seinen Jüngern bereitet. Die Taborjünger nehmen diese Worte Jesu furchtlos auf. Das Licht, das ihnen Soeben in Fülle zuteil geworden ist, hat ihnen das Ziel gezeigt, das durch Opfer und Prüfungen erreicht werden soll. Sic nehmen alles, was ihnen die Zukunft bringen wird, ergeben und entschlossen an. Der Abstieg vom Tabor bereitet zu freudigem Aufstieg auf den Kalvarienberg.

1 Obwohl die Höhe des Tabors nicht ganz 700 Meter übet dem Meeresspiegel liegt, so gehört die Aussicht, die man auf ihm genießt, dennoch zu den großartigsten von ganz Palästina. Die Berge von Ober- und Untergaliläa, in der Ferne vom Großen Hermon überragt, die Nordspitze und das Quellgebiet des Sees Genesareth, die tiefe Jordansenke und jenseits die Hügel von Galaad bilden einen unvergleichlichen Horizont und gestatten den Blick auf einen großen Teil des Heiligen Landes.