141. Die Heilung des Blinden von Bethsaida

(Mt 8)

 

I Jesus hört die Bitten zugunsten des Blinden gütig an

Und sie kamen nach Bethsaida.1 Da brachte man einen Blinden zu Ihm und bat Ihn, daß Er ihn berühre.

Der göttliche Meister steigt mit seinen Jüngern bei Bethsaida ans Land. Überall, wohin Er kommt, bringt Er allen Licht, die danach verlangen. Begrüße deinen Heiland in Liebe. Er kommt ja auch für dich.

Man führt Jesus einen Blinden zu. Stelle du selbst den Kranken dem Heiland vor, und bitte für ihn! Sein Herz ist immer den Leidenden offen, aber, um ihnen zu helfen, wartet Er, daß liebevolle Seelen sie Ihm zuführen. Betrachte den Blinden näher und erkenne darin dein Ebenbild! Bist nicht auch du in mancher Hinsicht blind wie er? Dieser arme Blinde kennt die Gründe nicht, weshalb Gott diese Prüfung über ihn verhängt hat, noch ahnt er, welches Glück die göttliche Vorsehung ihm heute auf seinem Weg bereitet. So fehlt es auch dir an Licht in bezug auf dein letztes Ziel, auf den Gebrauch, den du von den Geschöpfen machen sollst, und auf die Tragweite deiner täglichen Pflichten und Prüfungen. Nur dunkel gewahrst du das übernatürliche Verdienst, welches geduldig ertragene Leiden in sich bergen. Von Gott erhältst du alles, aber dein Blick findet Ihn nicht. Überall ist Gott bei dir, und doch siehst du Ihn fast nirgends. So nahe dich denn gläubig dem Heiland und flehe um Erleuchtung, Er ist ja das Licht der Blinden!

! Es handelt sich hier um Bethsaida-Julias, das bereits bei der ersten Brotvermehrung erwähnt wurde. Es lag auf dem Gipfel und den Abhängen eines Hügels, der 3 km nordöstlich von der Stelle liegt, wo der Jordan in den See von Tiberias mündet. Jetzt bedecken nur noch Ruinen den Hügel.

 

II Jesus gibt dem Kranken das Gesicht wieder

Er nahm den Blinden bei der Hand und führte ihn vor das Dorf hinaus. Dann benetzte Er seine Augen mit Speichel, legte ihm seine Hände auf und fragte ihn: «Siehst du etwas?»

Erfasse auch du die Hand des Heilands und folge Ihm vor das Dorf hinaus! Wohin führt Jesus jene, denen Er das Licht wiedergeben will? Er führt sie in die Einsamkeit, dort findet man das Licht wieder. Das Wort Gottes ist das Licht der Seele. Die Einsamkeit, welche die Seele von dem geräuschvollen Getriebe der Welt loslöst, läßt sie das Wort Gottes im Glanz seiner Wahrheit erkennen. Gott spricht immer zu uns, aber um Ihn zu hören, muß man sich dem Lärm der Außenwelt entziehen. Wenn du dies erwägst, wird dir die häufigste Ursache deiner mangelhaften Einsicht in Sachen des Heiles klar werden.

Indessen genügt es nicht, sich vom Heiland in die Einsamkeit führen zu lassen, wir müssen Ihn an uns arbeiten lassen, wie Er es für gut findet. Wie geht die göttliche Weisheit hier zu Werk? Sie schreitet stufenweise voran. Jesus heilt nicht immer durch ein einziges Wort oder Zeichen, damit wir lernen, aus seinen sinnbildlichen Handlungen geistlichen Nutzen zu ziehen. So sehr der Heiland auch wünscht, die begonnene Heilung zu vollenden, so richtet Er doch die Wirksamkeit seiner Gnade allzeit nach dem Grade des Glaubens, der Ihm entgegengebracht wird. Der Glaube ist das Maß für die Gaben Gottes.

Jesus fragte den Blinden, ob er etwas sehe. Da blickte er auf und sprach: «Ich sehe die Menschen wie Bäume umhergehen.» Beachte diese Antwort! Nach einer ersten Erleuchtung durch die Gnade ist das Licht der Seele unbestimmt, das Urteil über manche Dinge ist sehr unvollkommen. Man hält manchen Fehler für eine Tugend, man kann sich nicht entscheiden über die Maßregeln, die man ergreifen muß, um sich vor Fehltritten zu bewahren. Man täuscht sich über die Gefahren, die von einer schlecht bekämpften Leidenschaft drohen, oder über die Wichtigkeit gewisser geistlicher Übungen. Den Forderungen von unbedingter Notwendigkeit mißt man nur geringe Bedeutung zu.

Was ist da zu tun? Sich nicht wundern und sich nicht entmutigen lassen, sondern auf den Heiland vertrauen! — Danach legte Er ihm die Hände noch einmal auf seine Augen. Da ward er wieder hergestellt, so daß er alles deutlich sah. Diese Worte sind besonders für dich geschrieben. Werde ja nicht mutlos nach den ersten unvollkommenen Versuchen zur Besserung, sondern ergreife die Hand Jesu, und laß dir auch von jenen helfen, die seine Stelle bei dir vertreten! Erflehe dir neue Gnadenhilfe. Die Reichtümer göttlicher Erbarmung sind unerschöpflich. Man gelangt nur Schritt für Schritt zur klaren Erkenntnis der ewigen Wahrheiten. Bleibe nicht auf halbem Weg stehen! Wenn du Fortschritte machen willst, so tue alles, was der Heiland dem Kranken anempfiehlt, und, wie er, wirst du zu vollkommener Klarheit gelangen.