107. Das Gleichnis vom Sauerteig

(Mk 13,Lk 13)

 

I Jesu Worte und Leitung müssen eine Umwandlung in uns bewirken

«Mit dem Himmelreich ist es gleich wie mit einem Sauerteig.»

Nahe dich dem Heiland mit dem Wunsch, neue Belehrungen zu empfangen. «Immer mehr Licht!» ist der Wahlspruch einer auf ihren Fortschritt bedachten Seele. Setze dich zu Füßen des Meisters nieder und lausche Ihm.

Was bedeutet der Sauerteig, von dem Er hier redet? Es ist die Gnade Gottes, das Wort, das Er im Innern deiner Seele zu dir spricht, die Anregung, die Er dir leise zuflüstert und die du so wenig beachtest; die zarte Einladung, die Er beim Beginn jedes neuen Tages an dich richtet. Seine Allmacht, Weisheit und Güte verbündet sich mit deinen schwachen Kräften, und dein Glaube erwacht, deine Hoffnung erstarkt, deine Liebe entflammt sich zu heller Glut. Das Licht der ewigen Wahrheiten leuchtet dir auf. Das Andenken an das letzte Ziel wird neu belebt und die Vergänglichkeit der irdischen Güter tritt dir klarer vor die Seele. Die Sinne machen sich frei, das Herz reißt sich los. Der Wille bricht die Fesseln. Nun vermagst du alles. Die Anregung der Gnade ist in Wahrheit ein Sauerteig, fähig, eine ganze Welt zu höherer Gesinnung zu erheben. Wie willst du dich von nun an diesen Anregungen gegenüber verhalten?

 

II Jesus erklärt, wie diese Umwandlung vor sich geht

«Diesen Sauerteig nimmt eine Frau und mengt ihn unter drei Maß Mehl, bis der ganze Teig durchsäuert ist.»

Dringe in die Gedanken Jesu ein. Sieh, wie diese Frau den Sauerteig verarbeitet. Der Sauerteig bringt nur dann seine Wirkung hervor, wenn er mit dem Teig verknetet wird. Gott bietet dir seine allmächtige Gnade an, aber du mußt sie starkmütig zur Bekämpfung deiner Schwächen anwenden. Deinen Stolz mußt du zur Demut zwingen, deine Eitelkeit muß lernen, andern den Vorrang zu lassen, dein Herz muß allen ungeordneten Neigungen entsagen. Das Joch deiner natürlichen Trägheit mußt du abschütteln und deine launenhaften Stimmungen unterdrücken. Deine Seele muß vom Übernatürlichen ganz durchdrungen werden, du mußt den Teig kneten!

Gott hat durch seine Gnade alle Kräfte deiner Seele auf das Gute gerichtet. Du mußt nun deinerseits unter dem Einfluß der Gnade diese Kraft betätigen. Durch die tägliche Betrachtung, die eifrige Gewissenserforschung, die häufige und gute heilige Kommunion, das Anhören der heiligen Messe und die Andacht zum allerheiligsten Sakrament wirst du zu treuer Mitwirkung mit der Gnade gelangen. Erflehe hierzu die Hilfe Mariens. Dein eifriges Streben wird allen Widerstand brechen und mit der Gnade Gottes den Sieg über deine Natur davontragen. Du wirst die Gnade immer besser nutzen und dich selbst immer gründlicher kennenlernen. Suche im Eifer für deine geistlichen Übungen zu wachsen. Das große Werk deines geistlichen Fortschrittes wird dadurch zu wunderbarer Entfaltung gelangen. Bitte den Heiland um immer größeres Verständnis in dieser Hinsicht!