Word: Lukas

 

Das Evangelium nach Lukas

Einleitung

Der Evangelist Lukas war Heidenchrist und stammte aus Antiochien in Syrien. Von Beruf Arzt, scheint er zunächst als Laienapostel für Christus gewirkt zu haben. Er gehört zu den treuesten und eifrigsten Mitarbeitern des hl. Paulus. Freiwillig hat er fünf Jahre lang mit ihm die Gefangenschaft in Cäsarea und Rom geteilt. Sein Beruf, seine Heimat und der Verkehr mit dem Völkerapostel gaben ihm den weiten Blick, den Sinn für die alle Menschen umfassende Bedeutung der Erlösung, wie sie sein Evangelium verkündet. Jesus ist darin dargestellt als der barmherzige Heiland der Sünder, der Helfer in aller Not. Als Arzt hat Lukas tiefer in das Leid der Menschen geschaut, vor allem auch der Frauen. Darum erzählt er mehr als die andern Evangelisten von der gewinnenden Güte des Herrn ihnen gegenüber. Von der Gottesmutter berichtet sein Evangelium so viel, daß ihn das Mittelalter seit dem 6. Jahrhundert zum Maler, besonders zum „Madonnenmaler“ gemacht hat. Er ist bemüht, die Ereignisse des Lebens Jesu in ihren Zusammenhang mit dem Zeitgeschehen im Römerreich zu rücken. Das Lukasevangelium berichtet zunächst wichtige Einzelheiten aus der Kindheitsgeschichte Jesu und seines Vorläufers (Kap. 1-2) sowie aus der unmittelbaren Vorbereitung des öffentlichen Auftretens Jesu (3,1-4,13). Danach schildert es Jesu Tätigkeit in Galiläa (4,14-9,50), sein Lehren und Wunderwirken auf der Wanderung vom Norden nach dem Süden des Landes (9,51-18,14) — es ist der sogenannte Reisebericht — und sein Auftreten in Judäa und Jerusalem (18,15-21,38). Den Abschluß bildet wie in andern Evangelien die Geschichte des Leidens, Sterbens und der Verklärung des Erlösers (22,1-24,53).

 

Das Evangelium wurde zwischen 61-63 geschrieben, wahrscheinlich in Rom. Nach dem Tode der Apostelfürsten hat der hl. Lukas, wie die Überlieferung meldet, in Achaia und Böotien gewirkt und starb nach einem alten Zeugnis 84jährig „voll des Heiligen Geistes“ als Blutzeuge Christi. Sein Fest wird am 18. Oktober gefeiert.

 

1 Vorwort des Evangelisten. Schon manche haben es unternommen, eine Erzählung der Begebenheiten zu verfassen, die sich unter uns zugetragen haben, so wie es uns die überliefert haben, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes gewesen sind. So habe auch ich mich entschlossen, allem von den ersten Anfängen an sorgfältig nachzugehen und es für dich, edler Theophilus, der Reihe nach niederzuschreiben, damit du dich von der Zuverlässigkeit der Lehren, über die du unterwiesen worden bist, überzeugen kannst. 1-4: Dieses Vorwort verrät im Urtext durch seine klassisch schöne Form die hohe Bildung des Verfassers. Er widmet sein Werk einem edlen Freund, nachdem er gewissenhafte die mündlichen und schriftlichen Quellen durchforscht hat. Die Inspiration des Heiligen Geistes enthebt ja den Menschen nicht der Mühe des eigenen Schaffens.

 

Aus der Kindheitsgeschichte Jesu und des Vorläufers

Verheißung der Geburt des Täufers. In den Tagen des Herodes des Königs von Judäa, lebte ein Priester mit Namen Zacharias aus der Klasse des Abias; seine Frau stammte von Aaron ab und hieß Elisabeth. 5: Zacharias sowohl wie Elisabeth konnten ihre Abstammung mehr als 1000 Jahre zurück nachweisen. Beide waren gerecht vor Gott und wandelten tadellos in allen Geboten und Satzungen des Herrn. Doch hatten sie kein Kind, weil Elisabeth unfruchtbar war und beide in vorgerücktem Alter standen. Es begab sich aber, als er vor Gott den Priesterdienst versah, weil seine Klasse an der Reihe war, da wurde er ausgelost, wie es Brauch bei der Priesterschaft war, in den Tempel des Herrn zu gehen und das Rauchopfer darzubringen. 8-9: Es gab 24 Priesterklassen. Jede hatte außer an den höchsten Festen jährlich zweimal je eine Woche Dienst im Tempel. Das Los bestimmte, welche Verrichtungen der einzelne Priester zu vollziehen hatte. 10 Die ganze Menge des Volkes betete während des Rauchopfers draußen. 11 Da erschien ihm ein Engel des Herrn zur Rechten des Rauchopferaltars. 12 Zacharias erschrak bei diesem Anblick, und Furcht überfiel ihn. 13 Der Engel aber sprach zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias! Denn dein Gebet ist erhört: Dein Weib Elisabeth wird dir einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Johannes geben. 14 Du wirst Freude und Jubel haben, und viele werden sich über seine Geburt freuen. 15 Denn er wird groß sein vor dem Herrn: Wein und Rauschtrank wird er nicht trinken, aber vom Heiligen Geiste erfüllt werden schon vom Mutterleibe an. 16 Viele Israeliten wird er zum Herrn, ihrem Gott, bekehren 17 und vor ihm im Geiste und in der Kraft des Elias einhergehen, um die Herzen der Väter den Kindern zuzuwenden und Ungehorsame zur Gesinnung der Gerechten zurückzuführen, und so dem Herrn ein vorbereitetes Volk zu schaffen. 18 Zacharias sagte zu dem Engel: Woran soll ich dies erkennen? Bin ich doch ein Greis, und mein Weib steht in vorgerücktem Alter. 19 Der Engel entgegnete ihm: Ich bin Gabriel, der vor Gott steht. Ich bin abgesandt, zu dir zu reden und dir diese frohe Botschaft zu bringen. 20 Siehe, du wirst stumm sein und nicht reden können bis zu dem Tage, da dies geschieht, weil du meinen Worten, die zu ihrer Zeit in Erfüllung gehen werden, nicht geglaubt hast. 21 Das Volk wartete auf Zacharias und wunderte sich, daß er so lange im Tempel blieb. 22 Als er herauskam, konnte er nicht zu ihnen sprechen. Da erkannten sie, daß er im Tempel eine Erscheinung gehabt hatte. Er konnte ihnen nur zuwinken und blieb stumm. 21-22: Der Priester hatte nach dem Opfer dem Volk von der Treppe des Heiligtums herab den Segen zu spenden. 23 Und es geschah, als die Tage seines Dienstes zu Ende waren, ging er nach Hause. 24 Nach diesen Tagen aber empfing sein Weib Elisabeth. Sie hielt sich fünf Monate lang verborgen und sagte: 25 Also hat der Herr an mir getan in den Tagen, da er auf mich sah, um meine Schmach bei den Leuten wegzunehmen. 25: Elisabeth hielt sich verborgen, bis niemand mehr an ihrer Mutterschaft zweifeln konnte und es offensichtlich war, das Gott die als Schmach und Schuld geltende Kinderlosigkeit von ihr genommen hatte.

 

Verkündigung der Geburt Jesu. 26 Im sechsten Monate aber wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt Galiläas mit Namen Nazareth 27 zu einer Jungfrau gesandt. Sie war einem Manne namens Joseph verlobt, aus dem Hause Davids, und der Name der Jungfrau war Maria. 28 Der Engel trat bei ihr ein und sprach: Sei gegrüßt, du Gnadenvolle! Der Herr ist mit dir; [du bist gebenedeit unter den Weibern]. 29 Sie erschrak über seine Rede und dachte nach, was dieser Gruß bedeuten solle. 30 Der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast bei Gott Gnade gefunden. 31 Siehe, du wirst empfangen und einen Sohn gebären. Dem sollst du den Namen Jesus geben. 32 Dieser wird groß sein und der Sohn des Allerhöchsten genannt werden. Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben; 33 er wird über das Haus Jakobs für ewig herrschen, und seines Reiches wird kein Ende sein. 34 Da sprach Maria zum Engel: Wie wird dies geschehen, da ich keinen Mann erkenne? 35 Der Engel antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten dich überschatten. Deswegen wird auch das Heilige, das [von dir] geboren werden soll, Sohn Gottes genannt werden. 34-35: Nicht aus Zweifelsucht fragte Maria. Sie bittet nur demütig um Aufschluß, wie sich ihr Mutterwerden mit der ungeteilten Hingabe an Gott in steter Jungfräulichkeit vereinbaren lasse. Die Antwort des Engels belehrt sie, daß ihr Kind keinen menschlichen Vater haben, sondern durch unmittelbares Einwirken des lebenschaffenden Gottesgeiste aus ihr geboren werden solle, daß sie also Mutter werden und zugleich Jungfrau bleiben dürfe. 36 Siehe, auch deine Verwandte Elisabeth hat in ihrem hohen Alter einen Sohn empfangen; schon der sechste Monat ist es bei ihr, die als unfruchtbar gilt; 37 bei Gott ist ja kein Ding unmöglich. 38 Maria aber sprach: Siehe, ich bin die Magd des Herrn! Mir geschehe nach deinem Worte! Und der Engel schied von ihr. 38: Marias Antwort offenbart das Wesen aller Frömmigkeit: Demütige Bereitschaft des Geschöpfes vor dem Schöpfer, unbedingtes Jasagen des freien Menschen zum Willen Gottes.

 

Maria bei Elisabeth und das Magnifikat. 39 Maria aber machte sich in jenen Tagen auf und eilte in das Gebirge in eine Stadt Judas. 39: Nach der Überlieferung ist es der Ort Ain-Karim, anderthalb Stunden westlich von Jerusalem, auch St. Johann im Gebirge genannt. 40 Sie trat in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth. 41 Und es geschah, als Elisabeth Marias Gruß hörte, hüpfte das Kind in ihrem Schoße, und Elisabeth wurde vom Heiligen Geiste erfüllt. 42 Sie rief mit lauter Stimme: Du bist gebenedeit unter den Weibern, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes! 43 Woher wird mir die Ehre zuteil, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt? 44 Denn siehe, sobald die Stimme deines Grußes an mein Ohr drang, hüpfte das Kind in meinem Schoße vor Freude. 45 Und selig ist, die geglaubt hat, daß in Erfüllung gehen wird, was ihr vom Herrn gesagt worden ist! 46 Da sprach Maria:

 

Hoch preist meine Seele den Herrn,

47 und mein Geist frohlockt in Gott, meinem Heiland.

48 Denn er hat herabgeschaut auf seine kleine Magd.

Siehe, von nun an werden alle Geschlechter mich seligpreisen.

49 Denn Großes hat an mir der Mächtige getan,

und heilig ist sein Name.

50 Sein Erbarmen wächst von Geschlecht zu Geschlecht

für die, welche ihn fürchten.

51 Er übet Macht mit seinem Arme,

zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn.

52 Die Gewalthaber stürzt er vom Throne

und erhöhet die Niedrigen.

53 Die Hungernden erfüllt er mit Gütern,

und die Reichen läßt er leer ausgehen.

54 Er hat sich Israels, seines Knechtes, angenommen,

eingedenk seines Erbarmens,

55 wie er es unsern Vätern verheißen hat,

dem Abra­ham und seinen Nachkommen auf ewig.

46-55: Das Magnifikat ist Ausdruck höchster Geistesfülle,

aber auch Zeugnis für Marias Vertrautheit mit der Heiligen Schrift

und für ihre Volksverbundenheit. Täglich erklingt dieses Lied von neuem in der Vesper.

 

56 Maria blieb etwa drei Monate bei ihr. Dann kehrte sie nach Hause zurück. 56: Die Magd des Herrn übt Mutterdienst und Familienpflege. Echte Gottesliebe wird sichtbar in tätiger Nächstenliebe.

 

Geburt des Johannes und das Benediktus. 57 Für Elisabeth war die Zeit ihrer Niederkunft gekommen, und sie gebar einen Sohn. 58 Ihre Nachbarn und Verwandten hörten, daß der Herr großes Erbarmen mit ihr gehabt habe, und beglückwünschten sie. 59 Am achten Tage kamen sie, den Knaben zu beschneiden. Sie wollten ihm den Namen seines Vaters Zacharias geben. 60 Die Mutter entgegnete: Nein, er soll Johannes heißen! 61 Sie sprachen zu ihr: Es gibt doch niemand in deiner Verwandtschaft, der diesen Namen trägt. 62 Da befragten sie seinen Vater durch Zeichen, wie er ihn genannt wissen wolle. 63 Er forderte ein Schreibtäfelchen und schrieb darauf: Johannes ist sein Name. Da wunderten sich alle. 64 Im selben Augenblick aber ward sein Mund geöffnet und seine Zunge gelöst; er konnte sprechen und pries Gott. 65 Da ergriff alle Nachbarn Furcht, und alle diese Ereignisse wurden auf dem ganzen Bergland von Judäa besprochen. 66 Alle, die davon hörten, erwogen es im Herzen und sagten: Was wird wohl aus diesem Kinde werden? War ja doch die Hand des Herrn mit ihm. 67 Sein Vater Zacharias aber ward vom Heiligen Geiste erfüllt und sprach prophetisch also:

 

68 Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels,

denn er hat sein Volk heimgesucht und ihm Erlösung gebracht.

69 Er hat uns ein Horn des Heiles aufgerichtet

im Hause seines Knechtes David,

70 wie er durch den Mund seiner heiligen Propheten

vor alters gesprochen hat:

71 uns zu retten vor unsern Feinden

und aus der Hand aller, die uns hassen;

72 Erbarmen zu üben mit unsern Vätern

und seines heiligen Bundes eingedenk zu sein,

73 seines Eides, den er unserm Vater Abra­ham geschworen:

74 uns zu verleihen, daß wir, aus der Hand unserer Feinde befreit,

ihm ohne Furcht dienen 75 in Heiligkeit und Gerechtigkeit

vor seinen Augen alle unsere Lebenstage.

76 Du aber, Kind, sollst ein Prophet des Höchsten heißen,

vor dem Herrn einhergehen,

seine Pfade zu bereiten

77 und seinem Volke Heilserkenntnis zu geben

zur Vergebung der Sünden

78 wegen des herzlichen Erbarmens unseres Gottes.

Mit ihm wird uns der Aufgang aus der Höhe heimsuchen,

78: Wie die aufgehende Sonne den lichten Tag bringt, so sendet Gott den Erlöser als Licht der Welt.

79 um denen zu erscheinen, die in Finsternis und Todesschatten sitzen,

um unsere Füße auf den Weg des Friedens zu leiten. 68-79: Der Lobgesang

des Zacharias, „das Benediktus“, wird täglich im kirchlichen Morgengebet, den Laudes,

 angestimmt. Er preist den göttlichen Heilsplan und zeichnet die Aufgabe des Vorläufers.

 

80 Der Knabe aber wuchs und erstarkte im Geiste; er hielt sich in der Wüste auf bis zu dem Tage, da er vor Israel auftrat.

 

2 Geburt Jesu. Es begab sich aber in jenen Tagen, daß ein Befehl erging vom Kaiser Augustus, wonach der ganze Erdkreis aufgenommen werden sollte. Diese Aufnahme war die erste, die zu der Zeit stattfand, als Quirinius Statthalter von Syrien war. 2: Man kann den Urtext auch übersetzen: „Diese Aufzeichnung fand früher statt als diejenige unter Quirinius, dem Statthalter von Syrien.“ Unbewußt hat der Regierungserlaß des römischen Kaisers zur Erfüllung der Weissagung des Propheten Michäus beigetragen, der Messias werde in Bethlehem geboren. Alle gingen hin, sich aufschreiben zu lassen, ein jeder in seine Stadt. Auch Joseph reiste von Galiläa aus der Stadt Nazareth hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Bethlehem heißt, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, 4: Der Weg von Nazareth nach Bethlehem ist 148 Kilometer weit und führt über Berg und Tal, eine schwere Reise für die hoffende Mutter des Herrn. um sich mit Maria, der ihm verlobten Frau, die guter Hoffnung war, aufschreiben zu lassen. Es geschah aber, während sie dort waren, kam für sie die Zeit ihrer Niederkunft. Sie gebar ihren erstgeborenen Sohn, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge für sie kein Platz war.

 

Die Hirten bei der Krippe. In derselben Gegend befanden sich Hirten auf dem Felde, die bei ihrer Herde Nachtwache hielten. Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen, und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie. Sie gerieten darob in große Furcht. 10 Der Engel aber sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volke zuteil werden soll: 11 Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren worden, der da ist der Messias, der Herr. 12 Dies soll euch zum Zeichen sein: Ihr werdet ein Kindlein finden, das in Windeln eingewickelt ist und in einer Krippe liegt. 13 Sogleich gesellte sich zum Engel eine große himmlische Heerschar, die Gott lobte und sprach: 14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind! 14: Das „Gloria“ der Engel kann auch übersetzt werden: „Ehre ist Gott in der Höhe und auf Erden Friede unter den Menschen, die ihm wohlgefallen.“ Das Doppelziel der Menschwerdung ist: Gottes Ehre wird hergestellt und das Heil der Menschen gesichert.

 

15 Und es begab sich, als die Engel von ihnen weg in den Himmel zurückgekehrt waren, sprachen die Hirten zueinander: Laßt uns nach Bethlehem hinübergehen und das Geschehene schauen, das der Herr uns kundgetan hat. 16 Eilends gingen sie hin und fanden Maria und Joseph und das Kind, das in der Krippe lag. 17 Als sie es aber gesehen hatten, erzählten sie, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war. 18 Alle, die es hörten, wunderten sich über das, was die Hirten ihnen erzählten. 19 Maria aber behielt alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen. 19: Maria selbst wird dem Evangelisten vieles aus der Kindheit Jesu erzählt haben. 20 Die Hirten aber kehrten heim, sie lobten und priesen Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, so wie es ihnen verkündet worden war.

 

Jesu Beschneidung und Darstellung im Tempel. 21 Als acht Tage vorüber waren und das Kind beschnitten werden mußte, erhielt es den Namen Jesus, wie ihn der Engel vor seiner Empfängnis im Mutterschoß genannt hatte.

 

22 Als die Tage ihrer Reinigung nach dem Gesetze des Moses voll waren, brachten sie ihn nach Jerusalem, um ihn dem Herrn darzustellen. 22: Die Entfernung von Bethlehem nach Jerusalem beträgt 8 Kilometer. „Die Tage der Reinigung“ der Mutter dauerten nach der Geburt eines Knaben 7 + 33 = 40 Tage, nach der Geburt eines Mädchens doppelt so lange. Maria unterzog sich freiwillig der Zeremonie der Reinigung im Tempel. 23 Denn so steht es geschrieben im Gesetz des Herrn: Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn geweiht gelten (2 Mos 24 13,12). 24 Auch wollten sie das Opfer entrichten, wie es der Herr im Gesetz vorgeschrieben hatte, ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben. 25 Und siehe, in Jerusalem lebte ein Mann mit Namen Simeon; er war gerecht und gottesfürchtig; er wartete auf den Trost Israels, und der Heilige Geist war in ihm. 26 Ihm war vom Heiligen Geiste geoffenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, bevor er den Gesalbten des Herrn gesehen habe. 27 Auf Eingebung des Geistes war er in den Tempel gekommen; als die Eltern das Jesuskind hereinbrachten, um für es alles nach dem Herkommen des Gesetzes zu tun, 28 da nahm er es auf seine Arme, pries Gott und sprach:

 

29 Nun lässest du, Herr, deinen Knecht

nach deinem Wort im Frieden scheiden;

30 denn meine Augen haben dein Heil geschaut,

31 das du vor allen Völkern bereitet hast:

32 ein Licht zur Erleuchtung der Heiden

und eine Verherrlichung deines Volkes Israel.

29-32: Der Lobgesang Simeons ist in das liturgische

Abendgebet der Kirche aufgenommen, ein sinnvoller

Dank am Schluß eines gnadenreichen Tages.

 

33 Sein Vater und seine Mutter wunderten sich über das, was über ihn gesagt wurde. 34 Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Siehe, dieser ist bestimmt zum Fall und zum Aufstehen vieler in Israel und zu einem Zeichen, dem man widerspricht; deine eigene Seele aber wird ein Schwert durchdringen. 35 So werden die Gedanken vieler Herzen offenbar werden. 34-35: Zu allen Zeiten scheiden sich an Christus die Geister. Lebensgemeinschaft mit ihm wird hienieden zur Leidensgemeinschaft mit ihm. 36 Auch eine Prophetin Anna, eine Tochter Phanuels aus dem Stamme Aser, lebte damals; sie war hochbetagt. Nach ihrem Jungfrauenstand hatte sie sieben Jahre mit ihrem Manne gelebt 37 und war jetzt eine Witwe von 84 Jahren. Sie verließ den Tempel nie und diente Gott mit Fasten und Beten bei Tag und Nacht. 38 Zur selben Stunde fand sie sich ein und pries Gott; sie redete über ihn zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems harrten. 38: In froher Dankbarkeit für die empfangene Gnade wird Anna zur unermüdlichen Verkünderin der Ankunft des Messias. 39 Nachdem sie alles nach dem Gesetz des Herrn erfüllt hatten, kehrten sie nach Galiläa in ihre Stadt Nazareth zurück. 39: Vgl. die Anmerkung zu Mt 2,11 40 Das Kind aber wuchs und erstarkte; es war voll Weisheit, und Gottes Wohlgefallen ruhte auf ihm.

 

Der zwölfjährige Jesus im Tempel. 41 Seine Eltern gingen alljährlich nach Jerusalem zum Osterfeste. 42 Als der Knabe zwölf Jahre alt war, zogen sie gemäß dem Festbrauch nach Jerusalem hinauf. 41-42: Nach 2 Mos 23,17; 34,23-24; 5 Mos 16,16-17 war den Männern der Gang zum Heiligtum an Ostern, Pfingsten und Laubhütten vorgeschrieben. Dieses Gebot verpflichtete den israelitischen Knaben erst vom vollendeten 13. Jahre an. Jesus ging also noch freiwillig mit, ebenso Maria. 43 Als die Tage vorüber waren, machten sie sich auf den Heimweg. Der Jesusknabe aber blieb in Jerusalem zurück, ohne daß es seine Eltern merkten. 44 Sie meinten, er sei bei der Reisegesellschaft, gingen eine Tagereise weit und suchten ihn bei den Verwandten und Bekannten. 45 Da sie ihn aber nicht fanden, kehrten sie nach Jerusalem zurück und suchten ihn. 46 Und es geschah nach drei Tagen, da fanden sie ihn im Tempel, wie er unter den Lehrern saß, ihnen zuhörte und sie fragte. 47 Alle, die ihn hörten, gerieten außer sich über seine Einsicht und seine Antworten. 48 Als sie ihn sahen, waren sie entsetzt, und seine Mutter sagte ihm: Kind, warum hast du uns das getan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht. 49 Da sagte er zu ihnen: Warum habt ihr mich gesucht? Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meines Vaters ist? 49: Das Festhalten am Willen des Vaters ist für Jesus die oberste Norm. Darin geht er ganz auf, auch wenn er dabei der Mutter und dem Pflegevater Schmerz bereiten muß. Nicht vom Hause des Vaters ist das Wort zu verstehen. 50 Sie aber verstanden nicht, was er ihnen mit diesem Worte sagen wollte. 51 Er zog mit ihnen nach Nazareth hinab und war ihnen untertan. Seine Mutter bewahrte all diese Vorgänge in ihrem Herzen. 52 Jesus aber nahm zu an Weisheit, Alter und Wohlgefallen bei Gott und den Menschen.

 

Der Vorläufer und Jesus

3 Auftreten des Täufers. Es war im 15. Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius; Pontius Pilatus war Landpfleger von Judäa. Herodes Vierfürst von Galiläa, sein Bruder Philippus Vierfürst von Ituräa und der Landschaft Trachonitis, Lysanias Vierfürst von Abilene. Hohepriester waren Annas und Kaiphas. Da erging das Wort des Herrn an Johannes, den Sohn des Zacharias, in der Wüste. Er trat auf in der ganzen Gegend am Jordan und predigte die Taufe der Bekehrung zur Vergebung der Sünden, wie im Buche der Aussprüche des Propheten Isaias geschrieben steht: Eines Herolds Stimme in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, macht eben seine Pfade! Jedes Tal soll ausgefüllt, jeder Berg und Hügel abgetragen werden! Was krumm ist, soll gerade, was uneben, ebener Weg werden. Und alles Fleisch soll das Heil Gottes schauen (Is 40, 3-5). Er sprach nun zu den Volksscharen, die hinausgezogen, sich von ihm taufen zu lassen, also: Schlangengezücht! Wer hat euch gezeigt, dem drohenden Zorngericht zu entgehen? Bringt würdige Früchte der Bekehrung und fangt nicht an, bei euch zu sagen: Wir haben Abra­ham zum Vater! Denn ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen dem Abra­ham Kinder erwecken. Aber schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt. Jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird ausgehauen und ins Feuer geworfen. 7-9: Wem es an der rechten Gesinnung fehlt, der hat von dem äußerlichen Vollzug der Bußtaufe keinen Nutzen. Ebensowenig gibt Blut und Rasse vor Gott den Ausschlag. 10 Da fragten ihn die Volksscharen: Was sollen wir denn tun? 11 Er antwortete ihnen: Wer zwei Röcke hat, gebe dem einen, der keinen hat, und wer Speisen hat, tue desgleichen! 12 Auch Zöllner kamen, sich taufen zu lassen, und sagten ihm: Meister was sollen wir tun? 13 Er antwortete ihnen: Fordert nicht mehr, als euch angesetzt ist! 14 Ebenso fragten ihn Soldaten: Was sollen denn wir tun? Er sagte ihnen: Mißhandelt niemand, drangsaliert niemand und seid zufrieden mit eurer Löhnung! 14: An dieses Johanneswort knüpft der Kapuziner in „Wallensteins Lager“ seine Soldatenpredigt an. 15 Das Volk war voller Erwartung, und alle erwogen in ihrem Herzen über Johannes, er sei gewiß selbst der Messias. 16 Aber Johannes gab allen darauf zur Antwort: Ich taufe euch mit Wasser. Es kommt aber der, der mächtiger ist als ich, dessen Schuhriemen aufzulösen ich nicht würdig bin. Er wird euch mit dem Heiligen Geiste und mit Feuer taufen. 17 Er hat die Wurfschaufel in seiner Hand und wird seine Tenne reinigen, den Weizen wird er in seine Scheune bringen und die Spreu in unauslöschlichem Feuer verbrennen. 17: Mit der Wurfschaufel wurde auf der Tenne unter freiem Himmel die Spreu vom Weizen gesondert. So wird der Messias machtvoll die Scheidung der Bösen von den Guten in Israel vollziehen. 18 Noch viele andere Mahnungen gab er dem Volke, da er die Frohbotschaft verkündete. 1-18: Vgl. Mt 3,1-12, Mk 1,I-8. 1: Trotz der sechsfachen Zeitangabe läßt sich das Jahr nicht genau festlegen, weil die Regierungsjahre des Tiberius verschieden gezählt werden. Pontius Pilatus war 26-36 Landpfleger in Judäa. Nur Kaiphas war amtlicher Hoherpriester, aber sein Schwiegervater trug noch als gewesener Hoherpriester den Titel und hatte großen Einfluß.

 

19 Der Vierfürst Herodes aber, der von ihm wegen der Herodias, der Frau seines Bruders, und wegen all des Bösen, das Herodes getan hatte, zurechtgewiesen wurde, 20 beging zu all dem hinzu die weitere Untat, den Johannes in den Kerker werfen zu lassen. 19-20: Vgl. Mt 14,3-12; Mk 6,17-29. Lukas zeigt sich besonders gut über die Geschichte der Herodianer unterrichtet.

 

Taufe Jesu. 21 Es geschah aber, als alles Volk sich taufen ließ, wurde auch Jesus getauft, und da er betete, öffnete sich der Himmel, 22 der Heilige Geist ließ sich in leiblicher Gestalt einer Taube gleich auf ihn herab, und eine Stimme kam vom Himmel her: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen! 21-22: Vgl. Mt 3,13-17; Mk 1,9-11; Jo 1,32-34.

 

Jesu Stammbaum. 23 Jesus war, da er auftrat, etwa 30 Jahre alt und galt als der Sohn des Joseph. Dieser war ein Sohn des Heli, 24 dieser des Mathat, dieser des Levi, dieser des Melchi, dieser des Janne, dieser des Joseph, 25 dieser des Mathathias, dieser des Amos, dieser des Nahum, dieser des Hesli, dieser des Nagge, 26 dieser des Mahath, dieser des Mathathias, dieser des Semei, dieser des Joseph, dieser des Juda, 27 dieser des Joanna, dieser des Resa, dieser des Zorobabel, dieser des Salathiel, dieser des Neri, 28 dieser des Melchi, dieser des Addi, dieser des Kosan, dieser des Elmadam, dieser des Her, 29 dieser des Jesu, dieser des Eliezer, dieser des Jorim, dieser des Mathat, dieser des Levi, 30 dieser des Simeon, dieser des Juda, dieser des Joseph, dieser des Jona, dieser des Eliakim, 31 dieser des Melea, dieser des Menna, dieser des Mathatha, dieser des Nathan, dieser des David, 32 dieser des Jesse, dieser des Obed, dieser des Booz, dieser des Salmon, dieser des Naasson, 33 dieser des Aminadab, dieser des Aram, dieser des Esron, dieser des Phares, dieser des Juda, 34 dieser des Jakob, dieser des Isaak, dieser des Abra­ham, dieser des Thare, dieser des Nachor, 35 dieser des Sarug, dieser des Ragau, dieser des Phaleg, dieser des Heber, dieser des Sale, 36 dieser des Kainan, dieser des Arphaxad, dieser des Sem, dieser des Noe, dieser des Lamech, 37 dieser des Mathusale, dieser des Henoch, dieser des Jared, dieser des Malaleel, dieser des Kainan, 38 dieser des Henos, dieser des Seth, dieser des Adam, dieser Gottes. 23-38: Vgl. Mt 1,1-17. Lukas führt den Stammbaum Jesu nicht nur bis Abra­ham zurück, wie Matthäus es tut, sondern bis auf Adam, den Gott schuf. Jesus ist nicht nur der Erlöser des Judenvolkes, sondern der ganzen Menschheit, aber er stammt als Mensch von David und Abra­ham ab. Daß Jesus allgemein für den wirklichen Sohn Josephs gehalten wurde, beweist die tiefe Demut Marias, die das Geheimnis der jungfräulichen Geburt ihres Kindes nicht bekanntmachte.

 

4 Versuchung Jesu. Voll des Heiligen Geistes kehrte Jesus vom Jordan zurück und wurde vom Geiste in der Wüste umhergeführt, vierzig Tage lang, und wurde vom Teufel versucht. Er aß nichts in jenen Tagen, und als sie vorüber waren, hungerte ihn. Da sprach der Teufel zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so befiehl diesem Stein, er solle Brot werden! Jesus entgegnete ihm: Nicht vom Brote allein lebt der Mensch, [sondern von jeglichem Worte Gottes]. Dann führte er ihn hinauf und zeigte ihm alle Reiche des Erdkreises in einem Augenblick und sprach zu ihm: Ich will dir alle Macht und Herrlichkeit geben; mir ist sie ja übergeben, und ich gebe sie, wem ich will. Wenn du mich anbetest, soll sie ganz dein eigen sein! Darauf entgegnete ihm Jesus: Es steht geschrieben: Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten und ihm allein dienen. Hierauf führte er ihn nach Jerusalem, stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so stürze dich von hier hinab! 10 Es steht ja geschrieben: Er hat seinen Engeln deinetwegen befohlen, dich zu behüten. 11 Sie werden dich auf den Händen tragen, damit du nicht etwa deinen Fuß an einen Stein stoßest (Ps 91, 11). Jesus entgegnete ihm: 12 Es ist gesagt: Du sollst den Herrn deinen Gott nicht versuchen (5 Mos 6 16). 13 Nachdem der Teufel mit all seinen Versuchungen zu Ende war, ließ er von ihm ab bis zu gelegener Zeit. 13: Dauernde Sicherheit vor teuflischen Anfechtungen gibt es hienieden nicht. 1-13. Vgl. Mt 4,1-11; Mk 1,12-13. Versucht zu werden, ist noch kein Zeichen mangelnden Wohlgefallens Gottes. Es gilt, den Versucher mit der festen Entschiedenheit und Ruhe abzuwehren, wie wir sie an Jesus bewundern.

 

Messianische Tätigkeit in Galiläa

 

Beginn der galiläischen Wirksamkeit

In der Vaterstadt. 14 In der Kraft des Geistes kehrte Jesus nach Galiläa zurück, und sein Ruf verbreitete sich in der ganzen Gegend. 15 Er lehrte in ihren Synagogen und wurde von allen gepriesen. 16 So kam er nach Nazareth, wo er aufgewachsen war. Nach seiner Gewohnheit ging er am Sabbat in die Synagoge und erhob sich, um vorzulesen. 16: Die Lesung mit Erklärung der Heiligen Schrift bildete einen Hauptteil des Synagogendienstes. War kein Priester da, so geschah sie durch Laien. 17 Da reichte man ihm das Buch des Propheten Isaias. Er öffnete das Buch und fand die Stelle, wo geschrieben steht:

 

18 Der Geist des Herrn ruht auf mir, weil er mich gesalbt hat, den Armen die Frohbotschaft zu bringen, hat er mich gesandt, [zu heilen, die zerknirschten Herzens sind,] den Gefangenen Befreiung und den Blinden das Augenlicht zu verkünden, die Niedergedrückten in die Freiheit zu entlassen, 19 das Gnadenjahr des Herrn [und den Tag der Vergeltung] zu verkünden (Is 61,1. 2). 20 Als er das Buch zusammengerollt hatte, gab er es dem Diener zurück und setzte sich. Aller Augen waren in der Synagoge auf ihn gerichtet. 21 Da begann er zu ihnen zu sprechen: Heute ist diese Schriftstelle vor euren Ohren in Erfüllung gegangen. 22 Alle stimmten ihm zu und wunderten sich über die anmutigen Worte, die aus seinem Munde flossen. Sie sagten: Ist das nicht der Sohn Josephs? 23 Er entgegnete: Ihr werdet mir freilich das Sprichwort entgegenhalten: Arzt, heile dich selbst! Tu auch hier in deiner Vaterstadt die großen Taten, die, wie wir hören, in Kapharnaum geschehen sind. 24 Dann fuhr er fort: Wahrlich, ich sage euch: Kein Prophet ist in seiner Vaterstadt willkommen. 25 Ich sage euch der Wahrheit gemäß: Viele Witwen lebten in den Tagen des Elias in Israel, als der Himmel drei Jahre und sechs Monate verschlossen und eine große Hungersnot im ganzen Lande entstanden war; 26 aber zu keiner von ihnen wurde Elias geschickt, sondern zu einer Witwe nach Sarepta im Sidonierland. 27 Ebenso gab es unter dem Propheten Elisäus viele Aussätzige in Israel, aber keiner von ihnen wurde gereinigt, sondern der Syrer Naaman. 28 Bei diesen Worten ergriff alle in der Synagoge eine Wut, 29 sie erhoben sich, stießen ihn zur Stadt hinaus und brachten ihn bis zum Rand des Berges, auf dem ihre Stadt erbaut war, um ihn hinabzustürzen. 30 Er aber schritt mitten durch sie hindurch und ging fort. 23-30: Jesus macht ihnen klar, daß äußere Beziehungen zum Messias keinen Nutzen haben, sondern nur die Verantwortung vergrößern, wenn demütiger Glaube fehlt. Das verletzt ihren Lokalpatriotismus. Jesus bewahrt seine Landsleute gegen ihren Willen vor dem Verbrechen des Messiasmordes. 14-30: Vgl. Mt 4,12-17; 13,53-58; Mk 1,14-15; 6,1-6.

 

Heilung eines Besessenen. 31 Dann ging er zur Stadt Kapharnaum in Galiläa hinab und lehrte die Leute dort am Sabbat. 32 Sie erschraken über seine Lehre, denn sein Wort war mit Macht ausgerüstet. 33 In der Synagoge war ein Mann, der hatte den Geist eines unreinen Dämons. Dieser schrie laut auf: 34 Ha, was willst du mit uns, Jesus von Nazareth? Bist du gekommen, uns zu verderben? Ich weiß, wer du bist: Der Heilige Gottes. 35 Jesus gebot ihm streng: Schweig und fahr aus von ihm! Da schleuderte ihn der böse Geist mitten unter sie und fuhr aus, ohne ihm einen Schaden zuzufügen. 36 Da überfiel alle ein Schrecken, und sie sagten zueinander: Was ist doch das! Mit Macht und Kraft gebietet er den unreinen Geistern, und sie fahren aus! 37 Und die Kunde von ihm drang in jeden Ort der Umgegend. 31-37: Vgl. Mt 4,13-14; Mk 1,21-28.

 

Heilung der Schwiegermutter des Petrus. 38 Er verließ die Synagoge und ging in das Haus des Simon. Die Schwiegermutter des Simon war von dem großen Fieber befallen, und man bat ihn für sie. 39 Er trat zu ihren Häupten hin und gebot dem Fieber, und es verließ sie; sofort stand sie auf und bediente sie. 40 Nach Sonnenuntergang brachten alle, die Kranke mit allerlei Übeln hatten, dieselben zu ihm. Er aber legte jedem die Hände auf und machte alle gesund. 41 Aus vielen fuhren böse Geister aus, die schrien: Du bist der Sohn Gottes! Doch er drohte ihnen und ließ sie nicht reden; denn sie wußten, daß er der Messias sei. 42 Bei Tagesanbruch aber ging er fort und begab sich an einen einsamen Ort. Doch die Volksscharen suchten ihn und trafen ihn auch. Sie wollten ihn festhalten und nicht weiterziehen lassen. 43 Er aber entgegnete ihnen: Auch den anderen Städten muß ich die Frohbotschaft vom Reiche Gottes bringen. Denn dazu bin ich gesandt. 44 So predigte er denn in den Synagogen von Galiläa. 38-44: Vgl. Mt 8,14-17; Mk 1,29-39. 38: Lukas bezeichnet als Arzt die Krankheit genauer als Matthäus und Markus mit dem medizinischen Fachausdruck „das große Fieber“..

 

5 Der reiche Fischfang. Als die Volksscharen sich an ihn herandrängten, um das Wort Gottes zu hören, stand er am Ufer des Sees Genesareth. Da sah er zwei Boote am Ufer liegen; die Fischer hatten sie verlassen und wuschen die Netze. Er stieg in eines von den Booten, das dem Simon gehörte, und bat ihn, etwas vom Land weg hinauszufahren. Er setzte sich nun und lehrte die Volksscharen vom Boot aus. Als er zu sprechen aufgehört hatte, sagte er zu Simon: Fahr hinaus auf die hohe See und werfet eure Netze zum Fang aus! Da entgegnete Simon: Meister, die ganze Nacht haben wir gearbeitet und nichts gefangen. Aber auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen. Sie taten es und fingen eine große Menge Fische, so daß ihre Netze zu zerreißen drohten. Daher winkten sie ihren Genossen im andern Boot, sie möchten kommen und ihnen helfen. Diese kamen, und sie füllten beide Boote, so daß sie fast versanken. Als Simon Petrus dies sah, fiel er vor Jesus auf die Knie und sprach: Herr, geh weg von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch! Denn Staunen hatte ihn und alle seine Genossen ergriffen wegen des Fischfangs, den sie gemacht hatten, 10 ebenso den Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, welche die Genossen Simons waren. Jesus aber sagte zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an sollst du Menschenfischer sein! 11 Sie brachten die Boote ans Land, verließen alles und folgten ihm nach. 1-11: Vgl. Mt 4,18-22; Mk 1,16-20. Nur Lukas berichtet die Berufung der Apostel im Zusammenhang mit dem ersten wunderbaren Fischfang. Das Schiff des Petrus ist ein Bild der Kirche.

 

Erste Widerstände

Heilung eines Aussätzigen. 12 Und es geschah, als er in einer der Städte weilte, da war dort ein Mann voller Aussatz. Als er aber Jesus sah, fiel er auf sein Antlitz nieder und bat ihn: Herr, wenn du willst, kannst du mich rein machen. 13 Er streckte die Hand aus, berührte ihn und sprach: Ich will, sei rein! Sogleich wich der Aussatz von ihm. 14 Er gebot ihm, niemand etwas zu sagen, sondern: Geh hin, zeige dich dem Priester und bringe für deine Reinigung das von Moses vorgeschriebene Opfer dar, ihnen zum Zeugnisse. 14: Ehe ein geheilter Aussätziger für rein galt, mußte ein Priester ihm ein amtliches Zeugnis ausstellen, und der Geheilte hatte ein Opfer darzubringen. 15 Aber die Kunde von ihm breitete sich um so mehr aus. Große Volksscharen strömten zusammen, um ihn zu hören und von ihren Krankheiten geheilt zu werden. 16 Er aber hielt sich zurückgezogen an einsamen Orten auf und betete. 12-16: Vgl. Mt 8,1-4; Mk 1,40-45.

 

Heilung eines Gelähmten. 17 Und es begab sich, als er eines Tages lehrte, waren Pharisäer und Gesetzeslehrer zugegen, die aus allen Dörfern von Galiläa, Judäa und aus Jerusalem gekommen waren. Und die Kraft des Herrn war in ihm wirksam zum Heilen. 18 Da brachten Männer auf einem Bett einen Menschen, der gelähmt war, sie suchten ihn hineinzubringen und vor ihn hinzulegen. 19 Da es ihnen aber wegen der Menschenmenge nicht gelingen wollte, ihn hineinzubringen, stiegen sie auf das Dach und ließen ihn zwischen den Ziegeln mit dem Bett hinunter gerade vor Jesus hin. 20 Als er ihren Glauben sah, sprach er: Mensch, deine Sünden sind dir vergeben. 21 Die Schriftgelehrten und Pharisäer aber machten sich darüber Gedanken: Wer ist dieser, der da Gotteslästerungen ausspricht? Wer kann Sünden vergeben als Gott allein? 22 Jesus aber kannte ihre Gedanken und gab ihnen zur Antwort: Was macht ihr euch Gedanken in euren Herzen? 23 Was ist leichter zu sagen: Deine Sünden sind dir vergeben, oder zu sagen: Steh auf und wandle? 24 Damit ihr aber erkennet, daß der Menschensohn Macht hat, auf Erden Sünden zu vergeben, — nun sprach er zu dem Gelähmten: Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh nach Hause! 25 Sofort erhob er sich vor ihnen, nahm [das Bett], auf dem er gelegen hatte, und ging, Gott preisend, nach Hause. 26 Da gerieten alle außer sich, und sie priesen Gott. Voll Furcht sagten sie: Wir haben heute unglaubliche Dinge gesehen. 17-26: Vgl. Mt 9,1-8; Mk 2,1-12. Jesus legt hier ein klares Selbstzeugnis für seine Gottessohnschaft ab. Das Bett des Kranken war nur eine Matte oder Decke.

 

Berufung des Zöllners. 27 Hernach ging er hinaus und sah einen Zöllner namens Levi an der Zollstätte sitzen. Er sagte zu ihm: Folge mir! 28 Der stand auf, verließ alles und folgte ihm. 29 Levi veranstaltete ihm ein großes Gastmahl in seinem Haus. Eine große Menge Zöllner und andere Leute saßen mit ihnen zu Tische. 30 Hierüber murrten die Pharisäer und ihre Schriftgelehrten, sie sagten zu seinen Jüngern: Warum eßt und trinkt ihr mit den Zöllnern und Sündern? 31 Jesus entgegnete ihnen: Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. 32 Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu berufen, sondern Sünder zur Bekehrung.

 

Vom Fasten. 33 Sie aber sagten zu ihm: Die Jünger des Johannes fasten viel und verrichten Gebete, ebenso die der Pharisäer, während die deinigen essen und trinken. 34 Jesus entgegnete ihnen: Könnt ihr die Hochzeitsgäste zum Fasten anhalten, solange der Bräutigam bei ihnen ist? 35 Es werden aber Tage kommen, da der Bräutigam von ihnen genommen wird; dann werden sie fasten — in jenen Tagen. 34-35: Jesus ist der Bräutigam, die erlöste Menschheit seine Braut. Die Zeit seines Erdenlebens war das frohe Hochzeitsfest; da war kein Trauern und Fasten am Platze.

 

36 Er trug ihnen auch eine Gleichnisrede vor: Niemand schneidet einen Fleck von einem neuen Kleid und setzt ihn auf ein altes Kleid; er würde ja sonst das neue zerschneiden, und der Fleck vom neuen Kleid würde zum alten nicht passen. 37 Niemand gießt neuen Wein in alte Schläuche; sonst sprengt der neue Wein die Schläuche, er läuft aus, und die Schläuche gehen zugrunde. 38 Nein! Neuen Wein muß man in neue Schläuche füllen; [dann halten beide]. 39 Niemand, der alten Wein getrunken hat, will gleich neuen; denn er sagt: Der alte ist besser. 36-39: Die neue Religion Jesu läßt sich mit dem engherzigen Pharisäismus nicht vereinen; aber gütig zeigt Jesus Verständnis dafür, daß sich viele erst nach und nach an die neuen Formen gewöhnen können. 27-39: Vgl. Mt 9,9-17; Mk 2,13-22. Der Zöllner Levi ist der Apostel und Evangelist Matthäus.

 

6 Sabbatheiligung. Am [zweitersten] Sabbat ging er durch Getreidefelder; seine Jünger pflückten Ähren ab, zerrieben sie mit den Händen und aßen sie. 1: Wahrscheinlich lautete der Text ursprünglich nur: „An einem Sabbat“. Der sonst nicht nachweisbare Ausdruck „zweiterster Sabbat“ könnte den ersten Sabbat nach dem in die Osterwoche fallenden Sabbat, also den zweiten zwischen Ostern und Pfingsten bezeichnen. Einige Pharisäer sagten zu ihnen: Warum tut ihr, was man am Sabbat nicht tun darf? Jesus entgegnete ihnen: Habt ihr nicht gelesen, was David tat, als ihn und seine Gefährten hungerte? Wie er in das Haus Gottes ging, die Schaubrote nahm und aß und seinen Gefährten gab? Die darf aber niemand essen als allein die Priester (3 Mos 24, 9). Er sagte ihnen: Herr ist der Menschensohn auch über den Sabbat. An einem andern Sabbat aber geschah es, daß er in die Synagoge ging und lehrte. Dort war ein Mann, dessen rechte Hand verdorrt war. 6: Lukas allein nennt die rechte Hand. Als Arzt ist ihm das nicht bedeutungslos. Die Schriftgelehrten und Pharisäer aber gaben acht, ob er am Sabbat heilen werde, um einen Grund zu einer Anklage gegen ihn zu finden. Doch er kannte ihre Gedanken und sagte zu dem Manne mit der verdorrten Hand: Auf, stelle dich in die Mitte hier! Er stand auf und stellte sich dahin. Jesus sagte nun zu ihnen: Ich frage euch: Ist es erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun oder Böses, ein Leben zu retten oder zu verderben? 10 Er blickte sie alle ringsum an; dann sagte er zu ihm: Strecke deine Hand aus! Er tat es, und seine Hand ward wiederhergestellt. 11 Sie aber wurden von blinder Wut erfüllt und besprachen sich miteinander, was sie Jesus antun wollten. 1-11: Vgl. Mt 12,1-14; Mk 2,23-3,6..

 

Apostelwahl und Bergpredigt

Wahl der Apostel. 12 Es geschah aber in jenen Tagen, daß er fortging auf den Berg, um zu beten, und er verbrachte die ganze Nacht im Gebete zu Gott. 13 Nach Tagesanbruch rief er seine Jünger zu sich und wählte zwölf von ihnen aus, die er auch Apostel nannte, 14 nämlich Simon, den er Petrus nannte, und seinen Bruder Andreas, Jakobus und Johannes, Philippus und Bartholomäus, 15 Matthäus und Thomas, Jakobus, des Alphäus Sohn, und Simon mit dem Beinamen Eiferer, 16 Judas, des Jakobus Bruder, und Judas Iskariot, der zum Verräter wurde. 12-16: Vgl. Mt 10,1-4; Mk 3,13-19.

 

17 Er stieg mit ihnen nun hinab und blieb auf einem ebenen Platze stehen; bei ihm war eine große Schar seiner Jünger und eine große Volksmenge aus ganz Judäa, Jerusalem und dem Küstenland von Tyrus und Sidon; 18 diese Leute waren gekommen, ihn zu hören und sich von ihren Krankheiten heilen zu lassen. Auch die von unreinen Geistern Geplagten wurden geheilt. 19 Und das ganze Volk suchte ihn zu berühren, denn eine Kraft ging von ihm aus, die alle heilte.

 

Seligpreisungen. 20 Er aber richtete seine Augen auf seine Jünger und sprach:

Selig ihr Armen, denn euer ist das Gottesreich! 21 Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet gesättigt werden! Selig, die ihr jetzt weinet, denn ihr werdet lachen! 22 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen, ausstoßen, schmähen, euch um euren guten Namen bringen um des Menschensohnes willen! 23 Freut euch an jenem Tage und frohlocket! Denn sehet, euer Lohn ist groß im Himmel! Ihre Väter haben es ja den Propheten ebenso gemacht.

 

Weherufe. 24 Wehe dagegen euch Reichen, denn ihr habt euren Trost schon empfangen! 24: Nur jene Reichen trifft das Wehe, die im Reichtum ihr Genüge, „ihren Trost“ haben und nach nichts Höherem verlangen. 25 Wehe euch, die ihr jetzt satt seid, denn ihr werdet hungern! Wehe euch, die ihr jetzt lachet; denn ihr werdet trauern und weinen! 25: Nicht dem Frohsinn gilt das Wehe, sondern der frivolen Ausgelassenheit. 26 Wehe, wenn euch alle Menschen schöntun! Ihre Väter haben es ja den falschen Propheten ebenso gemacht.

 

Feindesliebe. 27 Aber euch, die ihr zuhöret, sage ich: Liebet eure Feinde, tut Gutes denen, die euch hassen! 28 Segnet die, welche euch fluchen, betet für die, welche euch beschimpfen! 29 Schlägt dich einer auf die eine Wange, so halte ihm auch die andere hin; nimmt dir einer den Mantel weg, so verweigere ihm auch den Leib­rock nicht. 30 Jedem, der dich bittet, gib und fordere von dem nichts zurück, der dir das Deinige wegnimmt! 31 Wie ihr wollt, daß euch die Menschen tun, so tut auch ihr ihnen! 32 Wenn ihr die liebt, welche euch lieben, welchen Dank habt ihr da zu erwarten? Lieben doch auch die Sünder die, welche sie lieben. 33 Und wenn ihr denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Dank verdient ihr? Tun dies ja doch auch die Sünder! 34 Und leiht ihr denen, von welchen ihr das Geliehene wieder zu erhalten hofft, welchen Dank wollt ihr dafür erwarten? Leihen doch auch Sünder den andern Sündern, um die gleiche Summe wieder zu erhalten. 35 Liebt vielmehr eure Feinde; tut Gutes und leiht ohne Hoffnung auf Wiederersatz! Dann wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Höchsten sein, der gütig ist gegen Undankbare und Böse. 36 Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist! 36: Im Vergleich mit Mt 5,48 beweist dieser Satz, daß nur jener vollkommen ist, der barmherzig ist. 37 Richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet werden! Verdammet nicht, so werdet ihr nicht verdammt werden! Vergebt, so wird euch vergeben werden! 38 Gebt, und es wird euch gegeben werden! Ein gutes, eingedrücktes, gerütteltes und übervolles Maß wird man euch in euren Schoß geben. Denn mit demselben Maß, mit dem ihr messet, wird euch wieder gemessen werden. 38: Mit „Schoß“ ist der über dem Gürtel gebildete weite Bausch des Kleides gemeint, der als Tasche diente. 27-38: Christus will die Buchstabenmoral der Pharisäer nicht durch eine andere Buchstabenmoral ersetzen. In seinem Reiche ist nicht starres Recht, sondern hingebende Liebe oberstes Gesetz. Der Selbstsucht stellt er die Selbstlosigkeit gegenüber. Unrecht und Gewalt hat er nie gutgeheißen. Von einem Christen muß höhere Opferbereitschaft gefordert werden als von einem Ungläubigen.

 

Demütige Selbstprüfung. 39 Er trug ihnen auch eine Gleichnisrede vor: Kann wohl ein Blinder einen Blinden führen? Werden nicht beide in die Grube fallen? 40 Der Schüler steht nicht über dem Lehrer; ist er ganz ausgebildet, so gleicht er seinem Lehrer. 41 Was siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, den Balken aber in deinem Auge beachtest du nicht? 42 Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Bruder, laß mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen, während du selbst den Balken in deinem Auge nicht siehst? Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann magst du sehen, wie du den Splitter aus dem Auge deines Bruders herausbringst! 43 Kein guter Baum trägt schlechte Frucht, und kein schlechter Baum trägt gute Frucht. 44 Ein jeglicher Baum wird an seiner Frucht erkannt. Denn von Disteln sammelt man keine Feigen, noch bricht man vom Dornbusch eine Traube. 45 Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatze seines Herzen Gutes hervor, der böse Mensch dagegen bringt aus dem bösen Böses hervor. Denn wovon das Herz voll ist, davon redet der Mund. 43-45: Wer im Gnadenstande lebt und die Gottesliebe zur Grundhaltung seiner Seele macht, dessen Werke sind von selbst übernatürlich gute Früchte: „Liebe Gott, dann tue, was du willst!“

 

Gleichnis vom Hausbau. 46 Was nennt ihr mich aber Herr, Herr, und tut doch nicht, was ich sage? 47 Ich will euch zeigen, wem der gleicht, der zu mir kommt, meine Worte hört und danach tut: 48 Er gleicht einem Mann, der beim Hausbau tief grub und das Fundament auf den Felsen legte. Da die Überschwemmung kam, prallte die Strömung an jenes Haus, konnte es aber nicht erschüttern; denn es war ausgezeichnet gebaut. 49 Wer dagegen hört und nicht befolgt, gleicht einem Mann, der sein Haus ohne Fundament auf den Boden hinstellte; die Strömung prallte dagegen an, und es fiel sofort ein, und der Einsturz jenes Hauses war gewaltig. 46-49: Christentum ist die Religion des im Werk lebendigen Christusglaubens. Sich um Christi Gesetz nicht kümmern, ist niemals „positives Christentum“. 17-49: Vgl. Mt 5,1-7, 29. Nicht bis in die Ebene, sondern bis zu einem Sattel am Berg stieg Jesus hinab. Also berichtet auch Lukas eine Bergpredigt Jesu, und zwar dieselbe wie Matthäus, aber unter Fortlassung der vor allem für die Juden bestimmten Redeteile.

 

Nach der Apostelwahl

7 Der Hauptmann von Kapharnaum. Als er all seine Worte vor den Ohren des Volkes vollendet hatte, ging er nach Kapharnaum hinein. Der Knecht eines Hauptmannes lag todkrank darnieder; er war diesem lieb und wert. Da er von Jesus gehört hatte, sandte er zu ihm Älteste der Juden mit der Bitte, er möge kommen und seinen Knecht gesund machen Als diese zu Jesus gekommen waren, baten sie ihn inständig mit den Worten: Er verdient es, daß du ihm dies gewährst; denn er liebt unser Volk und hat uns sogar die Synagoge gebaut. Jesus ging mit ihnen. Als er nicht mehr weit vom Hause weg war, ließ ihm der Hauptmann durch Freunde sagen: Herr, bemühe dich nicht! denn ich bin nicht würdig, daß du unter mein Dach eingehst. Ich habe mich deshalb auch nicht selber für würdig erachtet, zu dir zu kommen. Doch sprich nur ein Wort, und mein Knecht wird gesund. Auch ich bin ja ein Mann, der einer Kommandogewalt unterstellt ist, und habe Soldaten unter mir; sage ich einem: Geh, so geht er, und einem andern: Komm, so kommt er, und meinem Knecht: Tu das, so tut er's. Als Jesus das hörte, verwunderte er sich über ihn und wandte sich zu der ihm folgenden Menge mit den Worten: [Wahrlich], ich sage euch: So großen Glauben habe ich nicht einmal in Israel gefunden. 10 Nach ihrer Rückkehr in das Haus trafen die Boten den Knecht, [der krank gewesen war], gesund an. 1-10: Vgl. Mt 8,5-13. Der Hauptmann stand als Heide im Dienst des Herodes Antipas, war also kein „römischer Hauptmann“.

 

Erweckung des Jünglings von Naim. 11 In der Folgezeit geschah es, daß er sich in eine Stadt mit dem Namen Naim begab. Seine Jünger und viel Volk begleiteten ihn. 12 Als er sich dem Stadttor näherte, siehe, da trug man gerade einen Toten heraus, den einzigen Sohn seiner Mutter, die Witwe war; viel Volk aus der Stadt begleitete sie. 13 Als der Herr sie sah, empfand er Mitleid mit ihr und sprach zu ihr: Weine nicht! 14 Dann trat er hinzu und berührte die Bahre. Die Träger aber blieben stehen. Da sprach er: Jüngling, ich sage dir, steh auf! 15 Der Tote richtete sich auf und fing an zu reden, und er gab ihn seiner Mutter. 16 Alle ergriff Furcht, sie priesen Gott und sagten: Ein großer Prophet ist unter uns aufgetreten; und: Gott hat sein Volk heimgesucht. 17 Die Kunde über ihn verbreitete sich im ganzen Judenlande und in der ganzen Umgegend. 11-17: Nur Lukas erzählt dieses ergreifende Wunderwerk erbarmender Heilandsliebe.

 

Die Frage des Täufers. 18 Dem Johannes berichteten seine Jünger von all diesen Begebenheiten. Johannes ließ zwei von seinen Jüngern zu sich kommen 19 und sandte sie zu Jesus mit der Frage: Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten? 20 Als die Männer bei ihm eintrafen, sagten sie: Johannes der Täufer hat uns zu dir gesandt und läßt fragen: Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten? 21 Eben damals heilte er viele von Krankheiten, Gebrechen und bösen Geistern und schenkte vielen Blinden das Augenlicht. 22 Er gab ihnen zur Antwort: Geht hin und meldet dem Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen wieder, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf, Armen wird die frohe Botschaft verkündigt; 23 und selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt. 24 Als aber die Boten des Johannes sich entfernt hatten, begann er über Johannes zu den Volksscharen zu reden: Was seid ihr in die Wüste hinausgegangen zu sehen? Ein Schilfrohr, das vom Wind hin und her bewegt wird? 25 Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Einen Menschen mit weichlichen Kleidern angetan? Seht, die da prächtige Kleider tragen und üppig leben, wohnen in Königspalästen. 18-25: Vgl. Mt 11,2-19. Auch im Kerker wirkt Johannes als Wegbereiter des Messias. Jesus läßt die Tatsachen sprechen, in denen sich prophetische Weissagungen an ihm erfüllen. Demütiger Glaube bekennt ihn als den ersehnten Erlöser. Stolze Nörgelsucht findet stets Scheingründe zum Anstoßnehmen. 26 Aber was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Einen Propheten? Wahrlich, ich sage euch: Mehr als einen Propheten. 27 Er ist es, von dem geschrieben steht: Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bereiten soll (Mal 3, 1). 28 Ich sage euch: Unter den vom Weibe Geborenen gibt es keinen größeren [Propheten] als Johannes [den Täufer], und doch ist der Geringste im Reich Gottes größer als er. 28: Als Gotteskind zum Reiche Christi zu gehören, ist höhere Gnade, als der größte Prophet des Alten Bundes zu sein. 29 Das ganze Volk, das zuhörte, und die Zöllner gaben Gott die Ehre und empfingen die Taufe des Johannes. 30 Die Pharisäer und Schriftgelehrten aber verwarfen den Ratschluß Gottes, der ihnen galt, und ließen sich nicht von ihm taufen.

 

Gleichnis von den spielenden Kindern. 31 [Der Herr aber sprach:] Mit wem soll ich die Menschen dieses Geschlechtes vergleichen? Wem sind sie ähnlich? 32 Sie gleichen Kindern, die auf dem Markte sitzen und einander die Worte zurufen: Wir haben euch auf der Flöte vorgeblasen, und ihr habt nicht getanzt; wir haben Klagelieder gesungen, und ihr habt nicht geweint. 33 Denn Johannes der Täufer trat auf, aß kein Brot und trank keinen Wein. Da saget ihr: Er hat einen bösen Geist. 34 Es kam der Menschensohn, er ißt und trinkt, und ihr saget: Sehet den Schlemmer und Weinsäufer, den Freund der Zöllner und Sünder. 35 Aber die Weisheit war als gerecht erkannt von all ihren Kindern. 31-35: Niemand kann es dem recht machen, der nur nach Laune und Vorurteil sein Verhalten einrichtet. Jesus Vorbild ist so anziehend, weil er alles Absonderliche vermied und in allem nur Gottes Ehre suchte. Das ist echte Lebensweisheit.

 

Die Salbung durch die Sünderin. 36 Einer von den Pharisäern lud Jesus zum Mahle ein. Er ging in das Haus des Pharisäers und setzte sich zu Tische. 37 Und siehe, eine Frau lebte in der Stadt, eine Sünderin; sie erfuhr, daß er im Hause des Pharisäers zu Tische sitze. Da brachte sie ein Alabastergefäß mit Salböl, 38 trat von hinten weinend zu seinen Füßen hinzu, begann seine Füße mit ihren Tränen zu benetzen, trocknete sie mit den Haaren ihres Hauptes, küßte seine Füße und salbte sie mit dem Öl. 39 Als der Pharisäer, der ihn eingeladen hatte, das sah, dachte er bei sich: Wenn dieser ein Prophet wäre, wüßte er wahrhaftig, wer und welcher Art die Frau ist, die ihn anrührt, daß sie eine Sünderin ist. 40 Da redete ihn Jesus also an: Simon, ich habe dir etwas zu sagen. Der aber antwortete: Sprich, Meister! 41 Ein Gläubiger hatte zwei Schuldner; der eine schuldete ihm fünfhundert Denare der andere fünfzig. 42 Da sie nicht bezahlen konnten, schenkte er beiden die Schuld. Welcher wird ihn nun mehr lieben? 43 Simon antwortete: Ich denke der, dem er mehr geschenkt hat. Er aber sagte zu ihm: Du hast recht geurteilt. 44 Dann sagte er, der Frau zugewandt, zu Simon: Siehst du diese Frau? Ich kam in dein Haus, du gabst mir kein Wasser für die Füße. Sie aber benetzte meine Füße mit ihren Tränen und trocknete sie mit ihren Haaren. 45 Du gabst mir keinen Kuß, sie aber küßte, seitdem ich eingetreten bin, unablässig meine Füße. 46 Du salbtest mein Haupt nicht mit Öl, sie aber salbte meine Füße mit Salböl. 47 Deswegen, sage ich dir, werden ihr viele Sünden vergeben, weil sie viel geliebt hat. Wem aber wenig vergeben wird, der liebt auch wenig. 48 Dann sprach er zu ihr: Deine Sünden sind dir vergeben. 49 Da begannen die Tischgenossen bei sich zu denken: Wer ist dieser, daß er sogar Sünden vergibt? 50 Er aber sagte zu der Frau: Dein Glaube hat dir geholfen, gehe hin im Frieden! 36-50: Dieses ergreifende Zeugnis für Jesu Heilandsliebe gehört zum Sondergut des Lukasevangeliums. Nirgendwo im Neuen Testament wird diese namenlose Sünderin mit Maria Magdalena oder mit Maria von Bethanien verwechselt.

 

Jüngerunterweisung

8 Die Getreuen des Herrn. Und es geschah in der Folgezeit, da zog Jesus von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf, predigte und verkündete die Frohbotschaft vom Reiche Gottes. Bei ihm waren die Zwölf und etliche Frauen, die von bösen Geistern und Krankheiten geheilt worden waren: Maria mit dem Zunamen Magdalene, von der sieben böse Geister ausgefahren waren, Johanna, die Frau des Chusa, eines Verwalters des Herodes, Susanna und viele andere, die ihnen mit ihrem Vermögen dienten. 1-3: Zum ständigen Gefolge gehörten nicht bloß Männer, sondern auch Frauen; sie sind die Führerinnen des christlichen Frauenapostolats geworden.

 

Das Gleichnis vom Sämann. Als aber eine große Volksmenge zusammenkam und die Leute aus allen Städten ihm zuströmten, sprach er im Gleichnis: Ein Sämann ging aus, seinen Samen zu säen. Da er säte, fiel einiges an den Weg und wurde zertreten, und die Vögel des Himmels fraßen es auf. Anderes fiel auf den Felsen, ging auf und verdorrte, da es keine Feuchtigkeit hatte. Anderes fiel mitten unter die Dornen; die Dornen wuchsen mit auf und erstickten es. Anderes endlich fiel auf gutes Erdreich; es ging auf und brachte hundertfältige Frucht. Bei diesen Worten rief er aus: Wer Ohren hat zu hören, der höre! Seine Jünger aber fragten ihn, was dieses Gleichnis bedeute. 10 Er erwiderte ihnen: Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen, zu den übrigen muß man in Gleichnissen reden, damit sie sehen und doch nicht sehen, hören und doch nicht verstehen. 11 Dieses Gleichnis will folgendes besagen: Der Same ist das Wort Gottes. 12 Die am Wege sind die, welche es hören, dann aber kommt der Teufel und nimmt das Wort aus ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und gerettet werden. 13 Die auf dem Felsen hören das Wort und nehmen es mit Freuden auf. Allein diese haben keine Wurzel; eine Zeitlang glauben sie, zur Zeit der Versuchung aber fallen sie ab. 14 Was unter die Dornen fällt, bedeutet jene, die zwar hören, aber dann hingehen und es in den Sorgen, dem Reichtum und den Genüssen des Lebens ersticken lassen und keine reife Frucht bringen; 15 Was aber auf gutes Erdreich fällt, bedeutet die, welche das Wort hören und es in einem guten und redlichen Herzen bewahren und Frucht bringen in Beharrlichkeit.

 

Sinnsprüche über die Jüngeraufgabe. 16 Niemand zündet ein Licht an und bedeckt es dann mit einem Gefäß oder stellt es unter das Bett, sondern er stellt es auf einen Leuchter, damit die Eintretenden das Licht sehen. 4-16: Vgl. Mt 13,1-23; Mk 4,1-20. 17 Nichts ist ja verborgen, was nicht offenkundig, nichts geheim, was nicht bekannt wird und an den Tag kommt. 18 Gebt also acht, wie ihr hört! Wer etwas hat, dem wird gegeben werden; wer aber nichts hat, dem wird auch, was er zu haben meint, genommen werden. 18: Echte Tugend wächst, eingebildete vergeht. 16-18: Vgl. Mk 4,21-25.

 

Jesu Mutter und Verwandte. 19 Seine Mutter und seine Brüder kamen zu ihm, konnten aber wegen der Volksmenge nicht zu ihm gelangen. 20 Man meldete ihm: Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und wollen dich sehen. 21 Er aber entgegnete ihnen: Meine Mutter und meine Brüder sind die, welche das Wort Gottes hören und es befolgen. 19-21: Vgl. Mt 12,46-50; Mk 3,31-35. Jesus hat nie seine Mutter verleugnet. Diese demütige Magd des Herrn gehörte ja mehr als irgend jemand zu denen, die Gottes Wort hören und es befolgen. Jesus will seiner Umgebung zeigen, daß auch die innigsten Bande des Blutes ihn keinen Augenblick von seiner messianischen Berufsarbeit fortzuziehen vermögen.

 

Stillung des Seesturms. 22 Eines Tages bestieg er mit seinen Jüngern ein Schifflein und sagte zu ihnen: Wir wollen an das jenseitige Ufer des Sees hinüberfahren. Sie stießen ab, 23 und während sie dahinfuhren, schlief er ein. Da ging ein Sturmwind auf den See nieder, und sie bekamen ihr Schiff voll Wasser und gerieten in Gefahr. 24 Da traten sie zu ihm hin und weckten ihn mit den Worten: Meister, Meister, wir gehen unter. Er erhob sich und gebot dem Winde und dem tobenden Wasser; sie legten sich, und es wurde still. 25 Dann sagte er zu ihnen: Wo ist euer Glaube? Voll Furcht und Staunen sagten sie zueinander: Wer ist wohl der, daß er sogar den Winden und dem Wasser gebietet, so daß sie ihm gehorchen? 22-25: Vgl. Mt 8,18. 23-27; Mk 4,35-41. Der vor übergroßer Müdigkeit im tobenden Sturm schlafende Gottessohn ist ein herrliches Bild echter Menschlichkeit und übermenschlicher Sicherheit.

 

Der Besessene von Gerasa. 26 Sie fuhren nach dem Gebiet der Gerasener, das Galiläa gegenüber liegt. 27 Als er ans Land gegangen war, kam ihm ein Mann entgegen, der böse Geister hatte; er trug schon seit langer Zeit keine Kleidung und blieb in keinem Hause, sondern hielt sich in den Grabhöhlen auf. 28 Sobald er Jesus sah, schrie er auf, fiel vor ihm nieder und rief mit lauter Stimme: Was willst du von mir, Jesus, Sohn Gottes, des Allerhöchsten? Ich bitte dich, quäle mich nicht! 29 Er hatte nämlich dem unreinen Geist befohlen, von dem Menschen auszufahren. Schon seit langem hatte jener ihn in seiner Gewalt, und obwohl er mit Ketten und Fesseln gebunden und bewacht worden war, hatte er die Bande zerrissen und war vom bösen Geiste in die Wüste getrieben worden. 30 Jesus fragte ihn: Wie heißt du? Jener sagte: Legion; denn viele böse Geister waren in ihn gefahren. 31 Sie baten ihn, er möge ihnen nicht befehlen, in den Abgrund zu fahren. 32 Es war aber dort auf dem Berge eine Herde von zahlreichen Schweinen am Weiden; sie baten ihn nun, er möchte ihnen erlauben, in jene zu fahren. Er gestattete es ihnen. 33 Die bösen Geister fuhren also aus dem Manne aus und fuhren in die Schweine. Die Herde aber stürmte den Abhang hinab in den See und ertrank. 34 Als die Hirten sahen, was geschehen war, flohen sie und meldeten es in der Stadt und auf den Höfen. 33-34: Als Herr über alles darf Jesus zur deutlicheren Offenbarung seiner Macht den materiellen Schaden zulassen. 35 Da gingen die Leute hinaus, um zu sehen, was vorgefallen war, und kamen zu Jesus. Sie fanden den Mann, aus dem die bösen Geister ausgefahren waren, wie er zu den Füßen Jesu saß, bekleidet und bei gesundem Verstand, und sie fürchteten sich. 36 Die Augenzeugen erzählten ihnen nun, wie der Besessene [von der Legion] geheilt worden sei. 37 Da bat ihn (Jesus) die ganze Bevölkerung des Gebietes der Gerasener, er möge sie verlassen, denn sie waren von großer Furcht erfaßt. Er aber bestieg das Schiff und kehrte zurück. 37: Diese Gerasener sind der Typ jener Menschen, deren ganze Sorge sich um Vergängliches dreht, die lieber auf die Gegenwart des größten Wundertäters verzichten, als daß sie ein paar Schweine hergeben. 38 Der Mann aber, von dem die bösen Geister ausgefahren waren, bat ihn um die Erlaubnis, ihn begleiten zu dürfen. Doch er schickte ihn weg mit den Worten: 39 Kehre in dein Haus zurück und erzähle, was Gott Großes an dir getan hat! Er ging fort und verkündete in der ganzen Stadt, was Jesus Großes an ihm getan habe. 26-39: Vgl. Mt 8,28-34; Mk 5,1-20.

 

Die Tochter des Jairus und die blutflüssige Frau. 40 Bei seiner Rückkunft empfing das Volk Jesus, denn sie hatten ihn alle erwartet. 41 Und siehe, da kam ein Mann namens Jairus, ein Synagogenvorsteher. Er fiel Jesus zu Füßen und bat ihn, er möge in sein Haus kommen. 42 Er hatte nämlich eine einzige Tochter von etwa zwölf Jahren, und die lag im Sterben. Während er hinging, umdrängten ihn die Volksscharen. 43 Da trat von rückwärts eine Frau herzu, die seit zwölf Jahren an Blutfluß litt und schon ihr ganzes Vermögen an die Ärzte ausgegeben hatte, ohne von einem geheilt worden zu sein. 43: Als Arzt sagt Lukas nicht, daß die Kranke unter seinen Kollegen viel ausgestanden habe, daß es aber nur noch schlimmer mit ihr geworden sei, wie Markus berichtet. 44 Sie berührte die Quaste seines Kleides, und alsbald hörte der Blutfluß auf. 45 Jesus sagte: Wer hat mich berührt? Da alle es verneinten, sagten Petrus [und seine Gefährten]: Meister, die Volksscharen umgeben und umdrängen dich; [wie kannst du fragen: Wer hat mich berührt?] 46 Jesus aber erwiderte: Es hat mich jemand angerührt. Denn ich spürte, daß eine Kraft von mir ausgegangen ist. 47 Als nun die Frau sah, daß sie nicht verborgen geblieben war, kam sie zitternd herbei, fiel ihm zu Füßen und sprach es vor allem Volke aus, warum sie ihn berührt habe und wie sie sogleich geheilt worden sei. 48 Er aber sprach zu ihr: Tochter, dein Glaube hat dir geholfen. Geh hin in Frieden!

 

49 Noch sprach er, da kam jemand vom Synagogenvorsteher mit der Meldung: Deine Tochter ist gestorben, sei dem Meister nicht mehr lästig! 50 Jesus hörte dies und sagte zu ihm: Du brauchst nicht bange zu sein! Glaube nur, und sie wird gesund! 51 Als er beim Haus angelangt war, ließ er nur den Petrus, den Johannes und Jakobus sowie den Vater und die Mutter des Mädchens mit hineingehen. 52 Alles weinte und klagte um das Mädchen. Er aber sprach: Weinet nicht, das Mädchen ist nicht tot, es schläft nur! 53 Da verlachten sie ihn, weil sie wohl wußten, daß es gestorben war. 54 Er aber faßte es an der Hand und rief: Mädchen steh auf! 55 Da kehrte sein Geist zurück, und es stand sogleich auf, dann ließ er ihm zu essen geben. 56 Seine Eltern waren außer sich; er verbot ihnen, von dem Geschehenen jemand etwas zu sagen. 40-56: Vgl. Mt 9,18-26; Mk 5,21-43. Nur der feinfühlende dritte Evangelist erwähnt, daß es sich um die einzige Tochter handelte.

 

9 Aussendung der Apostel. Er rief die Zwölf [Apostel] zusammen und gab ihnen Macht über alle bösen Geister und Gewalt, Krankheiten zu heilen. Dann sandte er sie aus, das Reich Gottes zu verkünden und die Kranken zu heilen. Er sprach zu ihnen: Nehmet nichts mit auf den Weg, keinen Stab und keine Tasche, kein Brot und kein Geld. Auch sollt ihr nicht zwei Röcke haben! Wenn ihr in ein Haus kommt, so bleibet dort, bis ihr von da fortzieht! Und überall, wo man euch nicht aufnimmt, da verlaßt die Stadt und schüttelt [sogar] den Staub von euren Füßen zum Zeugnis gegen sie. Sie zogen also aus, gingen von Dorf zu Dorf, verkündeten überall die Frohbotschaft und heilten. 1-6: Vgl. Mt 10,1. 5-15; Mk 6,7-13. Unbelastet von allem Entbehrlichen sollen die Apostel ihrem Berufe dienen. Wer sie abweist, verwirkt sein Heil.

 

Furcht des Herodes vor Jesus. Auch der Vierfürst Herodes hörte von all diesen Vorgängen und geriet in Unruhe, weil einige sagten: Johannes ist von den Toten auferstanden; andere aber: Elias ist erschienen, wieder andere: Einer von den alten Propheten ist auferstanden. Herodes aber sagte: Den Johannes habe ich doch enthaupten lassen. Wer ist aber der, von dem ich solche Dinge höre? So hatte er den Wunsch, ihn zu sehen. 7-9: Vgl. Mt 14,1-2; Mk 6,14-16. Den fehlenden Glauben ersetzt meist törichter Aberglaube, besonders bei schlechtem Gewissen.

 

Brotvermehrung. 10 Die Apostel kehrten zurück und erzählten ihm alles, was sie getan hatten. Da nahm er sie mit und zog sich, um allein zu sein, zurück in eine Stadt namens Bethsaida. 11 Als die Volksscharen dies erfuhren, folgten sie ihm. Er nahm sie an, redete zu ihnen vom Reich Gottes, und die der Heilung Bedürftigen machte er gesund. 12 Schon neigte sich aber der Tag; da traten die Zwölf zu ihm und sagten: Laß die Menge ziehen; sie sollen in die umliegenden Dörfer und Höfe gehen, um Obdach und Nahrung zu finden. Denn hier sind wir in der Einöde. 13 Er entgegnete ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen! Sie sagten: Wir haben nur fünf Brote und zwei Fische. Wir müßten sonst etwa hingehen und für diese ganze Menge Nahrungsmittel kaufen. 14 Es waren nämlich ungefähr fünftausend Männer. Da sagte er zu seinen Jüngern: Laßt sie sich in Gruppen zu je etwa fünfzig lagern. 15 Sie machten es so und ließen alle sich lagern. 16 Er nahm die fünf Brote und die zwei Fische, blickte gegen den Himmel, segnete und brach sie und übergab sie den Jüngern, damit diese sie den Volksscharen vorlegten. 17 Alle aßen und wurden satt. Ja man hob noch an übriggebliebenen Brocken zwölf Körbe voll auf. 10-17 Vgl. Mt 14,13-21; Mk 6,31-44; Jo 6,1-15.

 

Bekenntnis des Petrus. 18 Und es geschah, als er einmal allein betete und nur die Jünger um ihn waren, fragte er sie: Für wen halten mich die Volksscharen? 19 Sie antworteten: Für Johannes den Täufer, andere für Elias, andere glauben, es sei einer von den alten Propheten auferstanden. 20 Er fragte weiter: Für wen haltet aber ihr mich? Petrus gab zur Antwort: Für den Gesalbten Gottes. 21 Er verbot ihnen jedoch strenge, das irgend jemand zu sagen. 21: Messias, Christus und Gesalbter bedeutet dasselbe. Das Schweigegebot war nötig, solange das Volk an seinen falschen Messias­erwartungen festhielt.

 

Leidensweissagung. 22 Denn, sprach er, der Menschensohn muß vieles leiden, von den Ältesten, den Oberpriestern und Schriftgelehrten verworfen und getötet werden, aber am dritten Tage auferstehen.

 

Kreuzweg der Jünger. 23 Zu allen aber sagte er: Will mir jemand nachfolgen, so verleugne er sich selbst und nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir. 23: Der Selbstsucht ein für allemal den Kampf ansagen und nicht nur gelegentlich ein, sondern Tag für Tag sein Kreuz auf sich nehmen, bedeutet Christusnachfolge. Es gilt, hienieden alles einzusetzen, um alles zu gewinnen, wenn der göttliche Richter zur großen Entscheidung erscheint. 24 Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren, und wer sein Leben um meinetwegen verliert, wird es retten. 25 Denn was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, sich selber aber verliert oder zugrunde geht? 26 Denn wer sich meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich der Menschensohn schämen, wenn er in seiner und des Vaters und der heiligen Engel Herrlichkeit kommt. 27 In Wahrheit sage ich euch: Einige von denen, die hier stehen, werden den Tod nicht kosten, bis sie das Reich Gottes sehen! 27: Das Reich Gottes, d. h. die Kirche, trat schon am Pfingstfest herrlich in Erscheinung. 18-27: Vgl. Mt 16,13-28; Mk 8,27-9,1.

 

Verklärung Jesu. 28 Es geschah aber etwa acht Tage nach diesen Reden, da nahm er Petrus, Jakobus und Johannes mit und stieg auf den Berg, um zu beten. 29 Während des Gebetes veränderte sich das Aussehen seines Antlitzes, und sein Gewand wurde glänzend weiß. 30 Und siehe, es redeten zwei Männer mit ihm, Moses und Elias; 31 sie erschienen in Herrlichkeit und sprachen von seinem Ende, das er in Jerusalem finden sollte. 32 Petrus aber und seine Gefährten waren vom Schlafe übermannt; als sie erwachten, sahen sie seine Herrlichkeit und die beiden Männer bei ihm. 33 Als diese von ihm scheiden wollten, sagte Petrus zu Jesus: Meister, es ist gut, daß wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Moses und eine für Elias; wußte er doch nicht, was er redete. 34 Während er noch so redete, kam eine Wolke und beschattete sie. Sie aber fürchteten sich, als jene in die Wolke eingingen. 35 Da erscholl eine Stimme aus der Wolke: Das ist mein auserwählter Sohn! Ihn höret! 36 Als die Stimme erscholl, war Jesus wieder allein. Sie aber schwiegen und teilten in jenen Tagen niemand etwas von dem Geschehenen mit. 28-36: Vgl. Mt 17,1-9; Mk 9,2-9

 

Heilung eines besessenen Knaben. 37 Als sie am folgenden Tage vom Berge herabstiegen, kam ihnen eine große Volksmenge entgegen. 38 Und siehe, ein Mann aus dem Volk rief laut: Meister, ich bitte dich, sieh nach meinem Sohn, denn er ist mein einziger. 39 Ein Geist packt ihn, dann schreit er gleich laut auf; er reißt ihn hin und her, so daß er schäumt, er will nicht von ihm lassen und reibt ihn völlig auf. 40 Ich habe deine Jünger gebeten, ihn auszutreiben; sie konnten's aber nicht. 41 Jesus entgegnete: O ungläubiges und verkehrtes Geschlecht! Wie lange noch soll ich bei euch sein und euch ertragen? Bring deinen Sohn her! 41: Es bedurfte übermenschlicher Geduld, um nach allen vergeblichen Bemühungen um echten Glauben das erbetene Wunder zu wirken. 42 Noch auf dem Weg riß und zerrte ihn der böse Geist hin und her. Jesus aber drohte dem unreinen Geist, heilte den Knaben und gab ihn seinem Vater zurück.

 

Zweite Leidensweissagung. 43a Alles staunte über die Majestät Gottes, 43b und während sich alle über all seine Taten wunderten, sagte er zu seinen Jüngern: 44 Nehmet euch diese Worte wohl zu Ohren: Der Menschensohn wird nämlich in die Hände der Menschen überliefert werden. 45 Jene aber verstanden dieses Wort nicht; es war für sie dunkel, so daß sie es nicht erfaßten. Doch scheuten sie sich, ihn darüber zu fragen. 37-45: Vgl. Mt 17, 14-2; Mk 9, 14-32.

 

Rangstreit der Jünger. 46 Es kam ihnen der Gedanke in den Sinn, wer wohl der Größte unter ihnen wäre. 47 Jesus jedoch, der die Gedanken ihres Herzens wohl kannte, nahm ein Kind, stellte es an seine Seite 48 und sagte zu ihnen: Wer dieses Kind in meinem Namen aufnimmt, nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat. Denn wer der Kleinste unter euch allen ist, der ist groß. 49 Da nahm Johannes das Wort und sprach: Meister, wir trafen einen, der in deinem Namen böse Geister austrieb; wir hinderten ihn daran, weil er nicht mit uns dir folgt. 50 Jesus aber entgegnete ihm: Wehret ihm nicht; denn wer nicht gegen euch ist, der ist für euch. 50: Der Beschwörer förderte durch seine Berufung auf Christus dessen Ansehen. 46-50: Vgl. Mt 18,1-5; Mk 9,33-40.

 

Der Reisebericht

 

Aussendung der Jünger

Der Eifer der Jünger gegen die unfreundlichen Samariter. 51 Es geschah aber, als die Tage seiner Ankunft (in den Himmel) vollzählig wurden, da machte er sich allen Ernstes daran, nach Jerusalem zu gehen, 52 und sandte Boten vor sich her. Diese kamen auf ihrer Reise in ein Samariterdorf, um für ihn Herberge zu bestellen. 53 Aber man nahm ihn nicht auf, weil sein Antlitz auf Jerusalem gerichtet war. 54 Als die Jünger Jakobus und Johannes das sahen, sagten sie: Herr, willst du, so möchten wir Feuer vom Himmel herabkommen und es sie verzehren heißen? 55 Er aber wandte sich zu ihnen und schalt sie. [Ihr wißt nicht, wes Geistes ihr seid. Der Menschensohn ist nicht gekommen, Seelen zu verderben, sondern zu retten.] 56 Sie zogen also in eine andere Ortschaft. 51-56: Aus religiös-politischer Eifersucht war in den Hauptwallfahrtszeiten die Spannung zwischen Juden und Samaritern besonders groß. Jesus verurteilt jede Verquickung der Religion mit nationalpolitischen Gesichtspunkten. Der eingeklammerte Satz fehlt in den meisten Textzeugen.

 

Entschiedene Nachfolge Jesu. 57 Auf dem Wege sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. 58 Jesus erwiderte ihm: Die Füchse haben Höhlen, die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn jedoch hat nichts, wohin er sein Haupt legen könnte. 59 Einen andern forderte er auf: Folge mir! Dieser aber sagte: Herr, erlaube mir, daß ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe! 60 Jesus entgegnete ihm: Laß die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkünde das Reich Gottes! 61 Ein anderer sagte: Ich will dir folgen, Herr, doch erlaube mir, daß ich zuvor Abschied nehme von meinen Hausgenossen! 62 Jesus entgegnete ihm: Keiner, der seine Hand an den Pflug legt und zurücksieht, ist tauglich fürs Reich Gottes. 57-62: Vgl. Mt 8,19-22. Vom echten Christusjünger wird ein opfervolles Leben und Einstellung auf das höchste Ziel gefordert. Zögernde Halbheit taugt nicht dazu.

 

10 Aussendung der 72 Jünger. Hernach stellte der Herr noch andere zweiundsiebzig auf und sandte sie zu zweien vor sich her in jede Stadt und Ortschaft, wo er selbst hinkommen wollte.Er sagte ihnen: Die Ernte ist groß, der Arbeiter sind es aber nur wenige. Bittet also den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte sende! Geht hin! Seht, ich sende euch wie Lämmer mitten unter die Wölfe. Nehmt weder Beutel noch Tasche noch Schuhe mit und grüßt niemand unterwegs. 4: Der umständliche orientalische Gruß hätte sie zu lange aufgehalten. Mangel an Höflichkeit darf nicht mit diesem Jesuswort beschönigt werden. Kommt ihr in ein Haus, so sagt zuerst: Friede diesem Hause! Ist daselbst ein Kind des Friedens, so wird euer Friede auf ihm ruhen; wenn nicht, so wird er zu euch zurückkehren. In eben diesem Hause bleibet, esset und trinket, was da ist; denn der Arbeiter ist seines Lohnes wert. Zieht nicht von einem Haus zum andern! Und wenn ihr in eine Stadt kommt, wo man euch aufnimmt, da esset, was man euch vorsetzt, heilet die Kranken darin und saget ihnen: Das Reich Gottes hat sich genaht! 7-8. Anspruchslos sollen die Jünger sein und niemand durch wählerisches Umherziehen von Haus zu Haus beleidigen. 10 Wenn ihr aber in eine Stadt kommt, wo man euch nicht aufnimmt, da geht auf ihre Straßen hinaus und sagt: 11 Selbst den Staub, der sich von eurer Stadt an unsere Füße gehängt hat, schütteln wir auf euch ab; aber das wisset: Das Reich Gottes hat sich genaht. 12 Ich sage euch: Sodoma wird es an jenem Tage erträglicher gehen als jener Stadt.

 

Das Wehe des Herrn über die unbußfertigen Städte. 13 Weh dir, Korozain, weh dir Bethsaida! Denn wären die Wunder in Tyrus und Sidon geschehen, die in euch geschehen sind, sie hätten schon längst in Sack und Asche dasitzend Buße getan. 14 Es wird aber auch Tyrus und Sidon im Gericht erträglicher gehen als euch. 15 Und du, Kapharnaum, wirst du etwa bis zum Himmel erhöht werden? Bis zur Hölle sollst du hinabgestürzt werden. 16 Wer euch hört, hört mich, und wer euch ablehnt, lehnt mich ab; wer aber mich ablehnt, lehnt den ab, der mich gesandt hat. 13-16: Vgl. Mt 11,20-24; 10,40. Der Wehruf hat sich in erschreckendem Maße erfüllt. Die Ruinen der Städte sind kaum noch zu entdecken.

 

Rückkehr der Jünger. 17 Die Zweiundsiebzig aber kehrten mit Freuden zurück und meldeten: Herr, selbst die bösen Geister sind uns in deinem Namen untertan. 18 Er sprach zu ihnen: Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen. 19 Seht, ich habe euch Macht gegeben, über Schlangen und Skorpione hinzuschreiten, und Macht über alle Gewalt des Feindes, und nichts soll euch schaden. 20 Doch freut euch nicht darüber, daß die Geister euch untertan sind, freut euch vielmehr darüber, daß eure Namen im Himmel eingezeichnet sind. 17-20: Gottes Wohlgefallen ist höher zu bewerten als alle äußeren Erfolge.

 

Jesus preist den Vater. 21 In eben dieser Stunde frohlockte er im Heiligen Geiste und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, daß du dies vor Weisen und Klugen verborgen, Einfältigen aber geoffenbart hast. Ja, Vater, denn so ist es wohlgefällig vor dir gewesen. 22 Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden; niemand erkennt; wer der Sohn ist, außer dem Vater, und niemand, wer der Vater ist, außer dem Sohn und wem es der Sohn offenbaren will. 23 Dann wandte er sich besonders zu seinen Jüngern mit den Worten: Glückselig die Augen, die sehen, was ihr sehet! 24 Denn ich sage euch: Viele Propheten und Könige wollten sehen, was ihr sehet, aber sie sahen es nicht, und hören, was ihr höret; aber sie hörten es nicht. 21-24: Vgl. Mt 11,25-27; 13,16-17. Im Munde eines bloßen Menschen wären diese Worte voll göttlichen Selbstbewußtseins vollendeter Größenwahn.

 

Von echter Nächstenliebe und rechtem Beten

Der barmherzige Samariter. 25 Und siehe, ein Gesetzeslehrer trat auf, ihn zu versuchen. Er sagte: Meister, was muß ich tun, um ewiges Leben zu erlangen? 26 Dieser erwiderte ihm: Was steht im Gesetze geschrieben? Wie liesest du? 27 Jener antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft und mit deiner ganzen Vernunft und deinen Nächsten wie dich selbst. 28 Er erwiderte ihm: Du hast richtig geantwortet. Tu das, so wirst du leben! 29 Jener aber wollte sich rechtfertigen und fragte deshalb Jesus: Wer ist mein Nächster? 30 Da nahm Jesus das Wort und sprach: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und fiel unter die Räuber. Diese plünderten ihn aus, schlugen ihn wund, gingen weg und ließen ihn halbtot liegen. 30: Der Höhenunterschied beträgt mehr als tausend Meter. Der einsame Weg ist heute noch gefahrvoll. 31 Zufällig kam ein Priester des Weges hinab; er sah ihn und ging vorüber. 32 Ebenso ein Levit; er kam an jenen Ort, sah ihn und ging vorüber. 33 Ein reisender Samariter aber, der in seine Nähe kam, sah ihn und ward von Mitleid gerührt. 34 Er ging hinzu, verband seine Wunden und goß zugleich Öl und Wein darauf. Dann setzte er ihn auf sein Reittier, brachte ihn in die Herberge und sorgte für ihn. 35 Am andern Tage zog er zwei Denare heraus und gab sie dem Herbergwirt mit den Worten: Sorge für ihn, und was du noch darüber aufwendest, will ich dir bezahlen, wenn ich zurückkomme. 36 Wer von diesen dreien scheint dir für den unter die Räuber Gefallenen der Nächste gewesen zu sein? 37 Jener antwortete: Der ihm Barmherzigkeit erwiesen hat. Jesus sprach zu ihm: Geh hin und tu desgleichen! 25-37: Das herrliche Lehrstück ist Sondergut des Lukasevangeliums, ebenso die folgende Szene in Bethanien.

 

Maria und Martha. 38 Auf der Wanderung kam er in einen Flecken. Eine Frau namens Martha nahm ihn in ihr Haus auf. 39 Sie hatte eine Schwester mit Namen Maria. Diese setzte sich zu den Füßen des Herrn und hörte auf sein Wort. 40 Martha aber machte sich viel zu schaffen, ihn reichlich zu bewirten. Sie trat nun hinzu und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, daß meine Schwester mich allein aufwarten läßt? Sag ihr doch, sie solle mit mir Hand anlegen. 41 Der Herr entgegnete ihr: Martha, Martha, du sorgst und beunruhigst dich um viele Dinge; 42 doch weniges oder eines nur ist notwendig. Maria hat den besten Teil erwählt, der ihr nicht wird genommen werden. 38-42. Fleiß und Umsicht sind Tugenden. Martha übertreibt sie und unterschätzt die Innerlichkeit. Weder im tätigen noch im beschaulichen Leben liegt an sich schon die Vollkommenheit, sondern in der Gottesliebe. Jesu Leben ist die vorbildliche Vereinigung beider Ideale.

 

11 Das Vaterunser. Einstmals betete Jesus an einem Orte. Als er aufhörte, sagte einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten wie auch Johannes seine Jünger beten gelehrt hat! Da sprach er zu ihnen: Wenn ihr betet, sprecht: Vater, geheiligt werde dein Name! Es komme dein Reich! Gib uns täglich unser ausreichendes Brot! Und vergib uns unsere Sünden, wie auch wir vergeben allen unseren Schuldigern! Und führe uns nicht in Versuchung! 1-4: Vgl. Mt 6,9-13. Hier ist der Wortlaut des Vaterunsers etwas kürzer als in der Bergpredigt. Vielleicht hat Jesus es bei verschiedenen Gelegenheiten verschieden vorgebetet.

 

Das beharrliche Gebet. Dann sprach er zu ihnen: Gesetzt, einer von euch hat einen Freund. Dieser kommt mitten in der Nacht zu ihm mit der Bitte: Freund, leihe mir drei Brote, denn ein Freund von mir ist auf der Reise zu mir gekommen, aber ich habe ihm nichts vorzusetzen. Jener dagegen antwortet von innen: Fall mir nicht lästig; denn die Tür ist schon geschlossen, und meine Kinder sind schon bei mir in der Schlafkammer; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. [Jener aber fährt fort zu klopfen.] Ich sage euch: Wenn er auch nicht um dessentwillen, weil er sein Freund ist, aufsteht und ihm etwas gibt, so wird er doch wegen seiner Zudringlichkeit aufstehen und ihm geben, was er nötig hat. Deswegen sage ich euch: Bittet, und es wird euch gegeben werden; suchet, und ihr werdet finden; klopfet an, und es wird euch aufgetan werden. 10 Denn jeder, der bittet, empfängt, wer sucht, findet, und dem, der anklopft, wird aufgetan werden. 11 Wenn aber einer von euch Vater ist, und sein Sohn bittet ihn um Brot, wird er ihm etwa einen Stein geben? Oder um einen Fisch — wird er ihm statt des Fisches eine Schlange geben? 12 Oder wenn er um ein Ei bittet, wird er ihm einen Skorpion reichen? 13 Wenn nun ihr, die ihr doch böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wißt, wieviel mehr wird euer Vater vom Himmel her den Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten. 13: Der Heilige Geist ist „Gottes siebenfache Gabe“, d. h. das Höchste und Beste, was Gott überhaupt zu geben vermag. 9-13: Vgl. Mt 7,7-11.

 

Böswillige Verdächtigung und ihre Abwehr

Heilung eines Besessenen. 14 Er trieb einen bösen Geist aus, der stumm war. Als aber der Geist ausgefahren war, redete der Stumme. Darüber verwunderten sich die Volksscharen. 15 Einige von ihnen aber sagten: Durch Beelzebul, den Obersten der bösen Geister, treibt er die Geister aus. 16 Andere aber versuchten ihn und verlangten von ihm ein Zeichen vom Himmel. 17 Er aber kannte ihre Gedanken und sprach zu ihnen: Jedes Reich, das in sich selbst uneins ist, zerfällt, und ein Haus stürzt über das andere. 18 Wenn also auch Satan mit sich selbst uneins ist, wie wird sein Reich Bestand haben können? Sagt ihr ja, ich treibe durch Beelzebul die Geister aus. 19 Wenn ich aber durch Beelzebul die Geister austreibe, durch wen treiben eure Söhne sie aus? Deswegen werden sie selbst eure Richter sein. 20 Wenn ich aber die bösen Geister durch den Finger Gottes austreibe, so ist wahrhaftig das Reich Gottes schon zu euch gekommen. 21 Wenn der Starke bewaffnet sein Schloß bewacht, so ist sein Besitz in Sicherheit. 22 Wenn aber ein Stärkerer als er über ihn kommt und ihn besiegt, so nimmt er ihm seine ganze Waffenrüstung, auf die er vertraute, und verteilt seine Beute. 23 Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut. 14-23: Vgl. Mt 12,22-30; Mk 3,22-27. Die unerhörte Verdächtigung sollte das Volk von Jesus fernhalten. Die Antwort Jesu läßt den Pfeil auf den Schützen zurückschnellen. Es gibt keine Neutralen im Kampfe gegen Christus.

 

In der Gewalt des Satans. 24 Wenn der unreine Geist aus dem Menschen ausgefahren ist, wandert er durch dürre Orte und sucht Ruhe. Weil er aber keine findet, sagt er: Ich will in mein Haus zurückkehren, von wo aus ich ausgefahren bin. 25 Wenn der böse Geist kommt, es ausgekehrt und geschmückt findet, 26 dann geht er hin und nimmt noch sieben andere Geister mit sich, die noch ärger sind als er; sie ziehen ein und wohnen darin. So werden die letzten Dinge jenes Menschen schlimmer als die ersten. 24-26: Vgl. Mt 12,43-45. Wer nicht zu Christus hält, der den Teufel vertreibt, gerät völlig in die Gewalt des Bösen.

 

Seligpreisung Jesu und seiner Mutter. 27 Es geschah aber, als er so redete, erhob eine Frau aus der Volksmenge ihre Stimme und sprach zu ihm: Selig der Leib, der dich getragen, und die Brust, die du gesogen hast. 28 Er erwiderte: Ja freilich, selig, die das Wort Gottes hören und beobachten. 27-28: „Seliger ist Maria durch den Glauben an Christus als durch die Empfängnis seiner Menschheit. Sogar die mütterliche Verwandtschaft hätte ihr nichts genützt, hätte sie nicht freudiger Jesus im Herzen als im Schoße getragen.“ (Hl. Augustinus.)

 

Das Zeichen des Jonas. 29 Als große Volksscharen zusammenströmten, begann er zu sprechen: Dieses Geschlecht ist ein schlimmes Geschlecht; es verlangt ein Zeichen, aber es wird ihm kein Zeichen gegeben als das Zeichen des [Propheten] Jonas. 30 Denn gleichwie Jonas für die Niniviten ein Zeichen wurde, so wird es auch der Menschensohn für dieses Geschlecht sein. 31 Die Königin des Südens wird mit den Männern dieses Geschlechts vor Gericht auftreten und ihre Verurteilung bewirken, denn sie kam von den Enden der Erde, um Salomons Weisheit zu hören — und doch ist hier mehr als Salomon! 32 Die Männer von Ninive werden mit diesem Geschlechte vor Gericht erscheinen und seine Verurteilung bewirken; denn sie haben auf die Predigt des Jonas hin Buße getan — und doch ist hier mehr als Jonas!

 

Vom Licht. 33 Niemand zündet ein Licht an und stellt es in einen Winkel oder unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter, damit die Eintretenden den hellen Schein sehen. 34 Die Leuchte deines Leibes ist dein Auge. Ist dein Auge gesund, so ist dein ganzer Leib erhellt; ist es aber krank, so ist dein ganzer Leib im Finstern. 35 Siehe also zu, daß das Licht in dir nicht Finsternis sei! 36 Ist dein Leib ganz erhellt und kein Teil davon dunkel, so wird er ganz hell sein, wie wenn ein Licht mit seinem Glanz dich erleuchtet. 29-36: Vgl. Mt 12,38-42; 5,15; 6,22-23

 

Weherufe über die Pharisäer und Schriftgelehrten. 37 Während er redete, bat ihn ein Pharisäer, er möge bei ihm speisen. Er ging hin und setzte sich zu Tische. 38 Der Pharisäer aber sah es und wunderte sich darüber, daß er sich vor der Mahlzeit nicht gewaschen hatte. 39 Der Herr aber sagte zu ihm: Nun, ihr Pharisäer reinigt das Äußere des Bechers und der Schüssel, euer Inneres aber ist voll Raub und Bosheit. 40 Ihr Toren! Hat nicht der, welcher das Äußere gemacht hat, auch das Innere gemacht? 41 Gebt lieber den Inhalt als Almosen. Dann ist alles für euch rein. 41: Almosen aus Gottesliebe spendet nur, wer im Herzen die Sünde nicht duldet. 42 Doch wehe euch, ihr Pharisäer! Ihr gebt den Zehnten von Pfefferminze, Raute und jeglichem Kraut, aber das Recht und die Liebe Gottes laßt ihr außer acht; das sollte man tun, das andere aber nicht lassen. 43 Weh euch, ihr Pharisäer! Ihr liebt es, in den Synagogen den ersten Platz zu haben und auf dem Markt gegrüßt zu werden. 44 Weh euch! Ihr gleicht den unkenntlichen Gräbern, über welche die Leute, ohne es zu wissen, hinwandeln. 45 Da entgegnete ihm ein Gesetzeslehrer: Meister, mit diesen Worten beschimpfst du auch uns. 46 Jener erwiderte: Wehe auch euch, ihr Gesetzeslehrer! Ihr legt den Menschen unerträgliche Lasten auf, berührt die Lasten aber selbst auch nicht mit einem Finger. 47 Weh euch! Ihr baut den Propheten Denkmäler, nachdem eure Väter sie getötet haben. 48 Wahrlich, ihr bezeugt damit, daß ihr die Taten eurer Väter billigt; jene haben sie getötet, ihr aber errichtet ihnen Grabmäler. 48: Die Lehren der Propheten zu befolgen, ist wichtiger, als ihnen Denkmäler zu errichten. 49 Deshalb hat auch die Weisheit Gottes gesprochen: Ich werde zu ihnen Propheten und Apostel senden; einige von ihnen werden sie töten und verfolgen, 50 damit das Blut aller Propheten, das seit Erschaffung der Welt vergossen worden ist, von diesem Geschlechte gefordert werde, 51 vom Blute Abels an bis zum Blute des Zacharias, der zwischen Altar und Tempel umgebracht worden ist. Ja, wahrlich, ich sage euch: Es wird von diesem Geschlechte gefordert werden. 52 Weh euch, ihr Gesetzeslehrer! Ihr habt den Schlüssel zur Erkenntnis weggenommen. Ihr seid selbst nicht eingetreten und habt auch noch die abgehalten, die eintreten wollten. 52: Eine Erklärung der Heiligen Schrift, die den Weg zu Christus mehr versperrt als weist, ist ein Verbrechen. 53 Als er dann von dort weggegangen war, begannen die Pharisäer und Schriftgelehrten, ihm heftig zuzusetzen und ihn über allerlei auszuforschen. 54 Dabei lauerten sie ihm auf in der Erwartung, etwas aus seinem Munde aufzufangen, [worüber sie ihn anklagen könnten]. 37-54: Vgl. Mt 23,1-36

 

12 Ermahnung zur Standhaftigkeit im Kampf gegen die Feinde. Als zahlreiche Volksscharen zusammengeströmt waren, so daß sie einander auf die Füße traten, begann er zuerst zu seinen Jüngern zu sprechen: Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer; das ist die Heuchelei! Es ist nichts verborgen, das nicht offenbar, nichts geheim, das nicht bekannt würde. Darum wird man, was ihr im Dunkeln gesagt habt, beim hellen Licht hören, und was ihr in den Kammern ins Ohr geflüstert habt, auf den Dächern verkünden. Euch aber, meinen Freunden sage ich: Fürchtet euch nicht vor denen, die nur den Leib töten können, sonst aber nichts zu tun vermögen! Ich will euch aber zeigen, wen ihr fürchten sollt: Fürchtet den, der nach dem Töten die Macht hat, in die Hölle zu werfen! Ja, ich sage euch, den fürchtet! Verkauft man nicht fünf Sperlinge um zwei Pfennige? Und doch ist auch nicht einer von ihnen vor Gott vergessen. Sogar die Haare eures Hauptes sind alle gezählt. Fürchtet euch also nicht, ihr seid mehr wert als viele Sperlinge! Ich sage euch aber: Wer mich vor den Menschen bekennen wird, zu dem wird sich der Menschensohn vor Gottes Engeln bekennen; wer mich aber vor den Menschen verleugnen wird, der wird vor Gottes Engeln verleugnet werden. 10 Wer etwas gegen den Menschensohn sagt, dem wird vergeben werden. Wer aber den Heiligen Geist lästert, dem wird nicht vergeben werden. 10: Vergebung setzt Reue voraus. Reue aber fehlt, wo wider besseres Wissen die Gnade des Heiligen Geistes und seine Wahrheit abgelehnt werden. 11 Wenn man euch vor die Synagogen und vor die Obrigkeiten und Behörden führt, seid unbesorgt, wie oder was ihr antworten oder was ihr sagen sollt. 12 Denn der Heilige Geist wird euch in jener Stunde lehren, was ihr sagen müßt. 1-12: Vgl. Mt 10,19-20. 26-33; 12,31-32; Mk 13,11.7

 

Vom Weltgeist und seiner Überwindung

Warnung vor Habsucht. 13 Aus der Volksmenge sagte einer zu ihm: Meister, sag meinem Bruder, er solle mit mir das Erbe teilen! 14 Er entgegnete ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbverteiler über euch aufgestellt? 15 Dann sagte er zu ihnen: Hütet euch doch ja vor aller Habsucht! Denn wenn auch einer Überfluß hat, so hängt doch sein Leben nicht von seinem Besitze ab. 13-15: Ein lehrreiches Sondergut im „sozialen Evangelium“. Das Gesetzbuch der Kirche gibt heute noch strenge Vorschriften über die Behandlung geldlicher Angelegenheiten durch Priester und Ordensleute. 16 Er trug ihnen dann folgendes Gleichnis vor: Eines reichen Mannes Acker trug reichliche Früchte. 17 Er dachte bei sich: Was soll ich tun? Ich habe ja keinen Platz, meine Früchte unterzubringen. 18 Da sagte er sich: So werde ich es machen; ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen; dort werde ich alle meine Erzeugnisse und meine Güter unterbringen. 19 Dann werde ich zu meiner Seele sagen: Meine Seele, du hast viele Güter auf manches Jahr bereitliegen, ruh aus, iß, trink und laß dir's wohl sein! 20 Gott aber sprach zu ihm: Du Tor! Noch in dieser Nacht wird man deine Seele von dir fordern; wem wird dann das gehören, was du aufgespeichert hast? 21 So geht es mit dem, der für sich Schätze aufhäuft, aber nicht vor Gott reich ist. 16-21: Ziel der Berufsarbeit muß mehr sein als Anhäufung von Vermögen. Aller Besitz verpflichtet gegenüber der Gemeinschaft und vor allem Gott gegenüber, der ihn gab.

 

Warnung vor ängstlicher Sorge. 22 Dann sprach er zu seinen Jüngern: Darum sage ich euch: Seid nicht ängstlich besorgt um euer Leben, was ihr essen, noch um euren Leib, was ihr anziehen sollt. 23 Das Leben ist mehr wert als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung. 24 Betrachtet die Raben, sie säen nicht, sie ernten nicht, sie haben nicht Vorratskammer noch Scheune — und doch ernährt sie Gott. Um wieviel seid ihr mehr wert als die Vögel! 25 Wer von euch kann aber mit seinen Sorgen seinem Leben auch nur eine kurze Spanne zusetzen? 25: Nicht die Körpergröße, die „Statur“, wie der lateinische Text sagt, ist gemeint, sondern die Lebensdauer. 26 Wenn ihr also auch nicht das Geringste ausrichten könnt, warum seid ihr um das Weitere so ängstlich besorgt? 27 Betrachtet die Lilien, wie sie weder spinnen noch weben; und doch sage ich euch: Nicht einmal Salomon in all seiner Pracht war gekleidet wie eine von ihnen. 28 Wenn aber Gott das Gras auf dem Felde, das heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird, so kleidet, um wieviel mehr euch, ihr Kleingläubigen! 29 So fragt auch ihr nicht, was ihr essen und was ihr trinken sollt, und laßt euch nicht beunruhigen! 30 Denn nach all dem trachten die Heidenvölker. 31 Euer Vater weiß ja, daß ihr dies braucht. Suchet vielmehr [zuerst] sein Reich [und seine Gerechtigkeit]; so wird euch [all] dies dreingegeben werden. 22-31: Vgl. Mt 6,25-33. 32 Fürchte dich nicht, du kleine Herde; denn es hat eurem Vater gefallen, euch das Reich zu geben. 33 Verkauft eure Habe und gebt davon Almosen! Erwerbt euch Beutel, die nicht altern, einen Schatz im Himmel, der nicht abnimmt, an den kein Dieb kommt, den keine Motte zerfrißt. 34 Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein. 32-34: Vgl. Mt 6,19-21. Erst das Jenseits gibt dem Diesseits den rechten Sinn. Was wir lieben, muß größer sein als wir selbst.

 

Mahnung zur Wachsamkeit. 35 Eure Lenden sollen umgürtet und eure Lampen brennend sein [in euren Händen]. 36 Ihr sollt Leuten gleichen, die ihren Herrn erwarten, wenn er von der Hochzeit kommt, damit sie ihm, wenn er kommt und anklopft, sogleich öffnen. 37 Selig jene Knechte, die der Herr bei seiner Ankunft wachend findet; wahrlich, ich sage euch: Er wird sein Kleid schürzen, sie zu Tisch sitzen heißen, herumgehen und sie bedienen. 38 Kommt er in der zweiten oder in der dritten Nachtwache und trifft er sie so an, dann Heil ihnen! 39 Das aber seht ihr ein: Wüßte der Hausvater, zu welcher Stunde der Dieb kommt, so würde er wahrhaftig [wach bleiben und] nicht in sein Haus einbrechen lassen. 40 So seid auch ihr bereit, denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr es nicht vermutet. 41 Da fragte ihn Petrus: Herr, gilt dieses Gleichnis nur uns oder auch allen? 42 Da sprach der Herr: Wer ist wohl der treue und kluge Verwalter, den der Herr über sein Gesinde setzt, damit er ihm zur rechten Zeit den angemessenen Unterhalt verabreiche? 43 Selig jener Knecht, den der Herr bei seiner Ankunft also handelnd findet. 44 Wahrlich, ich sage euch: Er wird ihn über all sein Besitztum setzen! 45 Wenn aber jener Knecht in seinem Herzen denkt: Mein Herr kommt noch lange nicht, und anfängt, Knechte und Mägde zu mißhandeln, zu essen und zu trinken und sich zu berauschen, 46 so wird der Herr jenes Knechtes an einem Tage kommen, wo er es nicht erwartet, und zu einer Stunde, die er nicht kennt, ihn in Stücke hauen und ihm seinen Anteil unter den Ungläubigen anweisen. 35-46: Vgl. Mt 24,42-51; Mk 13,33-37. Die Forderung steter Berufstreue und Wachsamkeit ist hier in das Bild orientalischer Rechte des Herrn über seine Sklaven gekleidet. 47 Jener Knecht aber, der den Willen seines Herrn kennt, sich aber nicht bereit hält, noch nach seinem Willen handelt, wird viele Schläge erhalten; 48 wer ihn aber nicht kennt und Dinge tut, die Schläge verdienen, erhält wenige. Wem viel gegeben ist, von dem wird viel verlangt; wem viel anvertraut ist, von dem wird noch mehr gefordert.

 

Notwendigkeit des Kampfes. 49 Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen, und wie sehr wünsche ich, daß es schon brenne! 50 Ich habe eine Taufe auf mich zu nehmen, und wie drängt es mich, bis sie vollzogen ist! 49-50: Das Feuer Christi erfaßt die Herzen, läutert das Gold, vertilgt die Schlacken. Über Christus selber schlagen die Leidenswogen zusammen wie das Wasser über dem Täufling beim Untertauchen. Dennoch sehnt er sich danach. 51 Meint ihr, ich sei gekommen, Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, sondern Entzweiung. 52 Von jetzt an werden in einem Hause fünf uneins sein; drei werden gegen zwei und zwei gegen drei sein: 53 Der Vater gegen den Sohn und der Sohn gegen den Vater, die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter, die Schwiegermutter gegen ihre Schwiegertochter und die Schwiegertochter gegen ihre Schwiegermutter. 51-53: Vgl. Mt 10,34-36. Christus will nicht den faulen Frieden der Charakterlosen. Man muß sich solche Stellen wie Lk 12,49-53 merken, um denen zu antworten, die Christus als feigen, weichlichen Führer von Schwächlingen hinstellen. Das Aufrechte und Kämpferische gehört zum Wesen seiner Nachfolge, aber nicht der Stolz und die Streitsucht.

 

Strafe der Unbußfertigkeit

Zeichen der Zeit. 54 Hierauf sprach er zu den Volksscharen: Wenn ihr im Westen eine Wolke aufsteigen seht, sagt ihr gleich: Es kommt Regen, und es trifft ein. 55 Spürt ihr den Südwind wehen, so sagt ihr: Es wird heiß, und es trifft ein. 56 Ihr Heuchler, das Aussehen des Himmels und der Erde wißt ihr zu deuten, warum wollt ihr diese Zeit nicht deuten? 57 Warum beurteilt ihr nicht auch von selbst, was recht ist? 58 Wenn du nämlich mit deinem Gegner zur Obrigkeit gehst, gib dir unterwegs Mühe, von ihm loszukommen, damit er dich nicht etwa vor den Richter schleppe, der Richter dich dem Gerichtsdiener übergebe und der Gerichtsdiener dich in den Kerker werfe. 59 Ich sage dir: Du wirst von da nicht herauskommen, bis du auch den letzten Heller bezahlt hast. 54-59: Wahre Weisheit macht nicht vor der entscheidenden Frage halt und bringt rechtzeitig das Leben in Ordnung.

 

13 Mahnung zur Umkehr. Zu eben der Zeit kamen einige und erzählten von den Galiläern, deren Blut Pilatus vergossen hatte, während sie eben opferten. Er erwiderte ihnen: Glaubt ihr, daß diese Galiläer größere Sünder gewesen seien als alle andern Galiläer, weil sie solches erleiden mußten? Nein, sage ich euch, aber wenn ihr euch nicht bekehret, werdet ihr alle gleichfalls umkommen. Es ist ebenso wie mit jenen achtzehn, die der einstürzende Turm von Siloe erschlug; glaubt ihr, sie seien schuldiger gewesen als alle andern Einwohner von Jerusalem? Nein, sage ich euch; aber wenn ihr euch nicht bekehrt, werdet ihr alle gleichfalls umkommen. 1-5: Diese Galiläer waren wahrscheinlich Anhänger der revolutionären Zelotenpartei. Jesus sieht die weit schlimmeren Ereignisse voraus, die sich bei der Zerstörung Jerusalems zutrugen.

 

Der unfruchtbare Feigenbaum. Er trug ihnen auch folgendes Gleichnis vor: Jemand hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum gepflanzt. Er kam und suchte Frucht an ihm, fand aber keine. Da sprach er zu dem Winzer: Siehe, schon drei Jahre komme ich nun und suche Frucht an diesem Feigenbaum, finde aber keine. Haue ihn um! Wozu saugt er noch den Boden aus? Der aber erwiderte ihm: Herr, laß ihn noch dieses Jahr stehen! Ich will rings um ihn aufgraben und Dünger einlegen; vielleicht bringt er künftig doch Frucht; wenn nicht, dann magst du ihn später umhauen lassen. 6-9: Gottes Geduld mit Israel geht ihrem Ende entgegen; die letzte Gnadenfrist bricht an.

 

Heilung der gekrümmten Frau. 10 Am Sabbat lehrte er in einer Synagoge. 11 Dort war eine Frau, die schon achtzehn Jahre einen Geist des Siechtums hatte; sie war verkrümmt und konnte sich nicht ganz aufrichten. 12 Als Jesus sie sah, rief er sie zu sich und sagte zu ihr: Frau, du bist von deinem Siechtum befreit! 13 Dann legte er ihr die Hände auf. Augenblicklich richtete sie sich auf und pries Gott. 14 Entrüstet darüber, daß Jesus am Sabbat geheilt hatte, nahm der Synagogenvorsteher das Wort und sagte zum Volk: Sechs Tage sind da zur Arbeit; an diesen mögt ihr kommen und euch heilen lassen, nicht aber am Tage des Sabbats. 15 Ihm entgegnete der Herr: Ihr Heuchler, bindet nicht ein jeder von euch am Sabbat seinen Ochsen oder Esel von der Krippe los, um sie zur Tränke zu führen? 16 Diese Tochter Abra­hams aber, die der Satan schon volle achtzehn Jahre gebunden hielt, sollte am Sabbat nicht von dieser Fessel gelöst werden dürfen? 17 Bei diesen Worten schämten sich alle seine Gegner; das ganze Volk aber freute sich über all die herrlichen Taten, die durch ihn geschahen. 10-17: Nur Lukas erzählt dieses Heilungswunder. Der Buchstabe des Gesetzes gilt den Heuchlern mehr als ein Werk barmherziger Liebe.

 

Gleichnisse vom Himmelreich. 18 Er sprach: Wem ist das Gottesreich ähnlich, und womit soll ich es vergleichen? 19 Es gleicht einem Senfkorn, das jemand in seinen Garten säte. Es wuchs und wurde zu einem großen Baum, und die Vögel des Himmels ließen sich in seinen Zweigen nieder.

 

20 Wiederum sprach er: Womit soll ich das Gottesreich vergleichen? 21 Es gleicht einem Sauerteig, den ein Weib nahm und unter drei Maß Mehl mengte, bis das Ganze durchsäuert war. 18-21: Vgl. Mt 13,31-33; Mk 4,30-32. Beide Geschlechter dürfen mitwirken. Mannesarbeit schafft der Kirche das Wachstum nach außen. Frauliche Mitarbeit gehört zum Durchdringen der Herzen mit der Lebenskraft Christi.

 

Der Kampf um das Himmelreich. 22 Er zog durch Städte und Dörfer, lehrte dabei und setzte seine Reise nach Jerusalem fort. 23 Da sagte jemand zu ihm: Herr, sind es wenige, die gerettet werden? Er sprach zu ihnen: 24 Bemüht euch, durch die enge Türe einzugehen. Denn ich sage euch: Viele werden einzugehen suchen, aber es nicht vermögen. 25 Ist aber der Hausvater aufgestanden und hat die Türe geschlossen, so mögt ihr draußen stehen, an die Türe klopfen und sagen: Herr, öffne uns! Er aber wird euch antworten: Ich weiß nicht, woher ihr seid. 26 Alsdann werdet ihr anfangen zu erklären: Wir haben doch vor dir gegessen und getrunken, und du hast auf unsern Straßen gelehrt! 27 Doch er wird euch entgegnen: Ich sage euch: Ich weiß nicht, woher ihr seid! Weicht von mir, all ihr Übeltäter! 28 Da wird Heulen und Zähneknirschen herrschen, wenn ihr Abra­ham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reiche Gottes, euch selbst aber ausgeschlossen seht. 29 Von Ost und West, von Nord und Süd werden sie kommen und sich im Reiche Gottes zu Tische setzen. 30 Und siehe, es gibt Letzte, die Erste, und es gibt Erste, die Letzte sein werden. 22-30: Vgl. Mt 7,13-14. 22-24; 8,11-12. Die rassenmäßige Zugehörigkeit zum auserwählten Volke nutzt ohne entsprechende Gesinnung und Tat gar nichts in den Augen des göttlichen Richters.

 

Warnung vor Herodes. 31 Zur gleichen Stunde kamen einige Pharisäer zu ihm und sagten: Geh fort und entferne dich von hier, denn Herodes will dich töten. 32 Er entgegnete ihnen: Geht und sagt diesem Fuchs: Siehe, ich treibe böse Geister aus und vollbringe Heilungen heute und morgen, und übermorgen gelange ich zur Vollendung. 33 Jedoch heute, morgen und übermorgen muß ich noch wandern; denn es darf kein Prophet außerhalb Jerusalems umkommen. 31-33: Weder der schlaue Herodes noch die hinterlistigen Pharisäer bringen Jesus vom Wege des Willens Gottes ab. Er fürchtet weder den einen noch den andern, durchschaut aber alle.

 

Wehe über Jerusalem. 34 Jerusalem, Jerusalem, das du die Propheten tötest und die steinigst, die zu dir gesandt werden, wie oft wollte ich deine Kinder versammeln, wie eine Henne ihre Küch­lein unter ihren Flügel, ihr aber habt nicht gewollt. 35 Seht, euer Haus wird euch überlassen. Ich sage euch aber: Ihr werdet mich nicht mehr sehen, bis [der Tag kommt, da] ihr sprechet: Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn. 34-35: vgl. Mt 23,37-39. Der Weheruf offenbart ergreifend die erbarmende Liebe des Erlösers zu seinem Volke. „Euer Haus wird euch verödet gelassen werden“, lautet eine andere Lesart.. Gott wird daraus ausziehen und es der Zerstörung preisgeben.

 

Berufung der Heiden und Sünder

14 Heilung eines Wassersüchtigen. Und es geschah, als Jesus an einem Sabbat in das Haus eines vornehmen Pharisäers ging, um da zu speisen, lauerten sie ihm auf. Und siehe, es trat vor ihn ein wassersüchtiger Mann. Da nahm Jesus das Wort und fragte die Gesetzeslehrer und Pharisäer: Ist es erlaubt, am Sabbat zu heilen oder nicht? Sie aber schwiegen. Da faßte er ihn an, heilte ihn und hieß ihn von dannen gehen. Dann fragte er sie: Wenn einem von euch ein Esel [Sohn?] oder Ochs in den Brunnen fällt, zieht er ihn dann nicht gleich am Sabbat heraus? Darauf konnten sie ihm nichts erwidern.

 

Mahnung zur Bescheidenheit. Da er aber wahrnahm, wie die Geladenen sich die ersten Plätze auswählten, trug er ihnen folgendes Gleichnis vor: Wenn du von jemand zu einem Festmahl geladen bist, so setze dich nicht auf den ersten Platz! Es könnte ein Vornehmerer als du von ihm geladen sein, und der, welcher dich und jenen geladen hat, kommen und dir sagen: Mach diesem Platz! Dann müßtest du schließlich mit Schande den letzten Platz einnehmen. 10 Nein, bist du geladen, so geh hin und setze dich auf den letzten Platz; dann mag der, welcher dich geladen, kommen und dir sagen: Freund, rücke weiter hinauf! Das wird dir vor allen Tischgenossen Ehre machen; 11 denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht. 12 Zu dem aber, der ihn geladen hatte, sagte er: Wenn du ein Mittag- oder Abendmahl gibst, so lade nicht deine Freunde, noch deine Brüder, noch deine Verwandten, noch reiche Nachbarn ein. Sonst laden sie dich wieder ein und halten dich schadlos. 13 Lade vielmehr, wenn du ein Gastmahl gibst, Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein; 14 dann wirst du selig sein; denn sie können es dir nicht vergelten; dir wird vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten. 7-14: Nur die echte, nicht die schielende, „bucklige“ Demut und nur die selbstlose, nicht die berechnende Gastfreundschaft haben Wert vor Gott.

 

Gleichnis vom Gastmahl. 15 Als aber einer von den Tischgenossen dies hörte, sagte er zu ihm: Selig, wer im Reiche Gottes speisen wird! 16 Er erwiderte ihm: Ein Mann veranstaltete ein großes Gastmahl und ließ viele Einladungen ergehen. 17 Als die Stunde des Mahles da war, gab er seinem Knecht den Auftrag, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn alles ist bereit! 18 Da fingen sie insgesamt an, sich zu entschuldigen. Der erste sagte zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muß hinausgehen, ihn anzusehen, ich bitte dich, halte mich für entschuldigt! 19 Der zweite sagte: Ich habe fünf Paar Ochsen gekauft und gehe hin, sie zu prüfen; ich bitte dich, halte mich für entschuldigt. 20 Ein dritter sagte: Ich habe ein Weib genommen und kann deshalb nicht kommen. 21 Der Knecht kehrte zurück und berichtete es seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sagte zu seinem Knecht: Schnell geh hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und bring die Bettler und Krüppel, die Blinden und Lahmen herein! 22 Der Knecht sagte: Herr, was du befohlen, ist geschehen; aber es ist noch Platz da. 23 Da befahl der Herr dem Knecht: Geh hinaus an die Wege und Zäune und nötige sie hereinzukommen, damit mein Haus voll werde! 24 Denn ich sage euch: Keiner von jenen Männern, die geladen waren, soll mein Mahl zu kosten bekommen. 15-24: Vgl. Mt 22,1-14

 

Nachfolge Jesu. 25 Es zogen aber viele Volksscharen mit ihm. Da wandte er sich um und sprach zu ihnen: 26 Wer zu mir kommt, aber Vater und Mutter, Weib und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein eigenes Leben nicht haßt, kann mein Jünger nicht sein. 27 Wer sein Kreuz nicht trägt und mir nicht folgt, kann mein Jünger nicht sein. 25-27: Vgl. Mt 10,37-39. Was hier „hassen“ bedeutet, zeigt klar die Parallelstelle Mt 10,37: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich...“ Wenn Gott ruft, ist kein Opfer zu scheuen. 28 Will nämlich einer von euch einen Turm bauen, setzt er sich dann nicht zuvor hin und berechnet die Kosten [um zu prüfen], ob er die Mittel zur Ausführung des Baues habe? 29 Sonst ist, wenn er den Grund gelegt hat, nachher aber den Bau nicht vollenden kann, zu befürchten, daß alle, die es sehen, anfangen, über ihn zu spotten 30 und zu sagen: Dieser Mann fing einen Bau an und konnte ihn nicht fertigbringen. 31 Oder wenn der König gegen einen andern König in den Krieg ziehen will, setzt er sich dann nicht zuvor hin und überlegt, ob er mit zehntausend Mann dem entgegentreten könne, der mit zwanzigtausend gegen ihn heranzieht? 32 Kann er das nicht, so läßt er jenen, solange er noch fern ist, durch eine Gesandtschaft um Frieden bitten. 33 So kann also keiner von euch, wenn er nicht all seiner Habe entsagt, mein Jünger sein. 34 Das Salz ist etwas Gutes; wenn aber auch das Salz schal wird, womit soll man es dann würzen? 35 Es taugt weder für den Boden noch für den Düngerhaufen; man wirft es eben hinaus. Wer Ohren hat zu hören, der höre! 28-35: Jeder muß sich von vornherein klar darüber sein, daß die Nachfolge Christi stete Anstrengung und heißen Kampf kostet. Ohne das Salz dauernder Opferbereitschaft taugt keiner dazu.

 

15 Gleichnis von dem verlorenen Schafe. Es nahten sich ihm allerhand Zöllner und Sünder, ihn zu hören. 1-32: Nur Lukas erzählt uns die folgenden drei trostvollen Gleichnisse suchender und erbarmender Gottesliebe nacheinander. Vgl. Mt 18,12-14. Darüber murrten die Pharisäer und Schriftgelehrten; sie sagten: Dieser nimmt sich der Sünder an und ißt mit ihnen. Daraufhin trug er ihnen folgendes Gleichnis vor: Wer von euch, der hundert Schafe besitzt, läßt nicht, wenn er eins verliert, die neun­undneun­zig in der Steppe und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? Hat er es gefunden, so nimmt er es voll Freude auf seine Schultern, und nach Hause gekommen, ruft er die Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir, denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war. Ich sage euch: Ebenso wird auch im Himmel größere Freude sein über einen einzigen Sünder, der sich bekehrt, als über neun­undneun­zig Gerechte, die der Bekehrung nicht bedürfen.

 

Gleichnis von der verlorenen Drachme. Oder zündet nicht eine Frau, die zehn Drachmen besitzt und eine davon verliert, ein Licht an, kehrt das Haus aus und sucht sorgfältig, bis sie dieselbe findet? Und hat sie dieselbe gefunden, dann ruft sie die Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und sagt: Freut euch mit mir, denn ich habe die Drachme gefunden, die ich verloren hatte. 10 Ebenso, sage ich euch, wird bei den Engeln Gottes Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der sich bekehrt.

 

Gleichnis vom verlorenen Sohn. 11 Er fuhr fort: Ein Mann hatte zwei Söhne. 12 Der jüngere von ihnen sagte zum Vater: Vater, gib mir den Anteil am Vermögen, der mir zukommt. Da teilte er das Vermögen unter sie. 13 Wenige Tage darauf packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog fort in ein fernes Land. Dort verschwendete er sein Vermögen durch ein liederliches Leben. 14 Als er alles durchgebracht hatte, entstand in jenem Land eine schwere Hungersnot, und auch er fing an, Mangel zu leiden. 15 Da ging er hin und verdingte sich an einen Bürger jenes Landes. Dieser schickte ihn auf seine Felder, die Schweine zu hüten. 16 Gern hätte er seinen Hunger mit den Schoten gestillt, welche die Schweine fraßen; aber niemand gab sie ihm. 16: Gemeint sind die Früchte des Johannisbrotbaumes. 17 Da ging er in sich und dachte: Wie viele Taglöhner [im Hause] meines Vaters haben Brot im Überfluß, ich aber muß hier Hungers sterben. 18 Ich will mich aufmachen, zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, Ich habe gesündigt wider den Himmel und vor dir; 18: Aus Scheu vor dem Gebrauch des Gottesnamens setzten die Juden gern „Himmel“ für Gott. Vgl. „Himmelreich“ = „Gottesreich“. 19 ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen. Halte mich nur wie einen deiner Taglöhner! 20 Er machte sich also auf und ging zu seinem Vater. Noch war er weit weg, da sah ihn sein Vater und ward von Mitleid gerührt. Er eilte ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und küßte ihn. 21 Der Sohn aber sagte zu ihm: Vater, ich habe gesündigt wider den Himmel und vor dir; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen. 22 Der Vater jedoch befahl seinen Knechten: Schnell bringt das beste Kleid heraus und zieht es ihm an, gebt einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße! 23 Holt auch das Mastkalb und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein! 24 Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wieder gefunden worden. Da fingen sie an, ein Freudenmahl zu halten.

 

25 Sein älterer Sohn aber war auf dem Felde. Als er sich bei der Rückkehr dem Hause näherte, hörte er Musik und Tanz. 26 Da rief er einen der Knechte und fragte, was das zu bedeuten habe. 27 Dieser antwortete ihm: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn gesund zurückerhalten hat. 28 Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm zu. 29 Jener gab dem Vater zur Antwort: Siehe, so viele Jahre schon diene ich dir und habe noch nie dein Gebot übertreten. Aber mir hast du noch nie ein Böcklein gegeben, damit ich mit meinen Freunden ein Freudenmahl hätte halten können. 30 Jetzt aber, da dieser dein Sohn da gekommen ist, der dein Vermögen mit Dirnen verpraßt hat, hast du für ihn gar das Mastkalb schlachten lassen. 31 Er entgegnete ihm: Mein Kind, du bist immerdar bei mir, und all das Meinige ist ja dein. 32 Aber ein Freudenmahl mußte gehalten werden, denn dein Bruder da war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden worden. 25-32: Engherziger Auserwähltenstolz ist ein häßlicher Fehler an denen, die das Glück dauernder Lebensgemeinschaft mit Gott genießen dürfen. Nicht „der Stand“ macht vollkommen, sondern demütiger und treuer Gebrauch der Standesgnaden.

 

Wert des Reichtums und der Armut

16 Gleichnis vom ungetreuen Verwalter. Weiter sprach er zu seinen Jüngern: Es war einmal ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter. Dieser wurde bei ihm angeschuldigt, er verschleudere sein Vermögen. Er ließ ihn rufen und sagte zu ihm: Was muß ich von dir hören? Gib Rechenschaft von deiner Verwaltung! Denn du kannst nicht länger die Verwaltung führen. Der Verwalter dachte bei sich: Was soll ich anfangen, da mein Herr mir die Verwaltung abnimmt? Graben kann ich nicht; zu betteln schäme ich mich. Ich weiß, was ich tue, damit sie mich nach meiner Entfernung von der Verwaltung in ihre Häuser aufnehmen.Er ließ also die einzelnen Schuldner seines Herrn kommen und fragte den ersten: Wieviel bist du meinem Herrn schuldig? Der antwortete: Hundert Krüge Öl. Er sagte zu ihm: Da hast du deinen Schuldschein! Schnell setz dich und schreibe fünfzig! Dann fragte er einen andern: Wieviel bist du schuldig? Der sagte: Hundert Malter Weizen. Er darauf: Da hast du deinen Schuldschein, schreibe achtzig! 5-7: Ein Krug oder Bath = 39,4 Liter, also 100 Krüge = 39,4 Hektoliter. Ein Malter oder Kor = 393,9 Liter, also 100 Malter = 393,9 Hektoliter. Der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt habe: Denn die Kinder dieser Welt sind gegenüber ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes. 8: Der Herr lobt oder rühmt, wie das Wort auch heißen kann, nicht den Schwindel, sondern die Schlauheit des Schwindlers, der seine Zukunft zu sichern versteht. Nicht mit gleichen Mitteln, aber mit gleicher Sorge gilt es, das ewige Heil zu sichern. Der beste Zweck heiligt nie ein schlechtes Mittel.

 

Auch ich sage euch: Macht euch mit dem ungerechten Reichtum Freunde, damit sie euch, wenn er zu Ende geht, in die ewigen Wohnungen aufnehmen. 10 Wer im Kleinsten treu ist, ist auch treu im Großen, und wer im Kleinsten unredlich ist, ist auch unredlich im Großen. 11 Wenn ihr nun mit dem ungerechten Reichtum nicht treu geschaltet habt, wer wird euch dann das wahre Gut anvertrauen? 12 Und wenn ihr mit Fremdem nicht treu gewirtschaftet habt, wer wird euch das geben, was euer Eigentum sein soll? 13 Kein Knecht kann zwei Herren dienen; entweder wird er den einen hassen und den andern lieben oder zu dem einen halten und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. 13: Vgl. Mt 6,24.

 

Zurechtweisung der Pharisäer. 14 Dies alles aber hörten die geizigen Pharisäer und verhöhnten ihn. 15 Da sagte er zu ihnen: Ihr seid die Leute, die sich vor den Menschen als Gerechte ausgeben, Gott aber kennt eure Herzen. Denn was bei den Menschen als erhaben gilt, ist vor Gott ein Greuel. 16 Das Gesetz und die Propheten reichen bis auf Johannes; von da an wird die frohe Botschaft vom Gottesreich verkündet, und alles sucht mit Gewalt hineinzukommen. 17 Leichter aber vergehen Himmel und Erde, als daß vom Gesetz auch nur ein Häkchen wegfalle. 18 Jeder, der seine Frau entläßt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch, und wer eine von ihrem Mann Geschiedene heiratet, begeht Ehebruch. 16-18: Vgl. Mt 11,12-12; 5,18. 32; 19,9. Weil Gott das Band der sakramentalen Ehe knüpft, hat keine Macht auf Erden, weder Kirche noch Staat, das Recht, dieses einmal geknüpfte Band zu lösen und die Wiederverheiratung Geschiedener zu erlauben.

 

Gleichnis vom reichen Prasser und vom armen Lazarus. 19 Es war ein reicher Mann, der sich in Purpur und feine Leinwand kleidete und Tag für Tag herrliche Mahlzeit hielt. 20 Es war aber auch ein Armer namens Lazarus, der ganz mit Geschwüren bedeckt vor dessen Türe lag. 21 Gerne hätte er sich mit den Abfällen von des Reichen Tisch gesättigt [aber niemand gab sie ihm]; sogar die Hunde kamen und beleckten seine Geschwüre. 21: Das ist dem Armen nur eine Erhöhung der Qual und Verlassenheit, aber er ist zu schwach, um die Hunde zu verjagen. 22 Es geschah aber, daß der Arme starb und von den Engeln in den Schoß Abra­hams getragen wurde. Auch der Reiche starb und wurde begraben. 23 Als er in der Hölle inmitten seiner Qualen seine Augen erhob, sah er von ferne Abra­ham und Lazarus in dessen Schoß. 24 Da rief er laut: Vater Abra­ham, erbarme dich meiner und sende den Lazarus, daß er seine Fingerspitze ins Wasser tauche und meine Zunge abkühle, denn ich leide große Pein in dieser Flamme! 25 Abra­ham jedoch erwiderte ihm: Sohn, bedenke, daß du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus hingegen ebenso das Üble, jetzt wird dieser hier getröstet, du hingegen wirst gepeinigt. 26 Zu alledem besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, daß die, welche von hier zu euch hinübergehen wollten, es nicht können, und ebenso auch niemand von dort hierher zu uns kommen kann. 27 Er sprach: Dann bitte ich dich, Vater, sende ihn in das Haus meines Vaters, 28 ich habe nämlich noch fünf Brüder; er soll sie warnen, damit sie nicht auch an diesen Ort der Qual kommen. 29 Abra­ham aber entgegnete ihm: Sie haben Moses und die Propheten, auf die sollen sie hören. 30 Jener erwiderte: Doch nicht, Vater Abra­ham, sondern wenn einer von den Toten zu ihnen kommt, werden sie sich bekehren. 31 Er aber antwortete ihm: Wenn sie auf Moses und die Propheten nicht hören, so werden sie sich auch nichts sagen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.

 

Unterweisung der Jünger über das Gottesreich

17 Vom Ärgernis. Er sprach zu seinen Jüngern: Ärgernisse können nicht ausbleiben; wehe aber dem, durch den sie kommen. Es wäre für ihn besser, daß ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ins Meer geworfen würde, als daß er einem dieser Kleinen Ärgernis gibt. 1-2: Vgl. Mt 18,6-9; Mk 9,42.

 

Versöhnlichkeit. 3a Habt acht auf euch! 3b Wenn dein Bruder sich [gegen dich] verfehlt, so verweise es ihm! Bereut er es, so vergib ihm! Sollte er sich siebenmal am Tag gegen dich verfehlen und siebenmal am Tag sich wieder an dich wenden und sagen: Es reut mich, so vergib ihm! 3-4: Vgl. Mt 18,15-22,

 

Kraft des Glaubens. Die Apostel sprachen zum Herrn: Mehre uns den Glauben! Der Herr aber erwiderte: Hättet ihr einen Glauben auch nur so groß wie ein Senfkorn, so könntet ihr zu diesem Maulbeerfeigenbaum sagen: Entwurzle dich und verpflanze dich ins Meer! — er würde euch gehorchen. 5-6: Vgl. Mt 17,20; 21,21; Mk 11,23.

 

Gleichnis vom Ackerknecht. Wer von euch, der einen Knecht als Ackerer oder Hirten hat, sagt zu ihm, wenn er vom Feld heimkommt: Komm gleich her und setze dich zu Tisch? Sagt er ihm nicht vielmehr: Bereite mir die Mahlzeit, gürte dich und bediene mich, bis ich gegessen und getrunken habe; hernach magst du essen und trinken? Weiß er etwa jenem Knecht Dank, weil er seine Befehle ausgeführt hat? [Ich meine nicht.] 10 So sollt auch ihr, wenn ihr alles getan habt, was euch aufgetragen war, sagen: Wir sind unnütze Knechte, wir haben nur unsere Schuldigkeit getan. 7-10: In ihrer Lohnsucht glaubten die Pharisäer einen Rechtsanspruch auf besondere göttliche Entgeltung zu besitzen.

 

Heilung der zehn Aussätzigen. 11 Und es begab sich, als er auf Reise nach Jerusalem durch das Grenzgebiet von Samaria und Galiläa zog, kamen ihm, 12 als er ein Dorf betrat, zehn Aussätzige entgegen. Sie blieben von ferne stehen 13 und riefen mit lauter Stimme: Jesus, Meister, erbarme dich unser! 14 Als er sie sah, sprach er zu ihnen: Geht hin und zeigt euch den Priestern! Und es geschah, während sie hingingen, wurden sie rein. 15 Einer aber kehrte um, als er sich geheilt sah, und pries Gott mit lauter Stimme. 16 Dann fiel er ihm zu Füßen auf sein Angesicht nieder und dankte ihm. Und das war ein Samariter. 17 Jesus aber fragte: Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind denn die neun anderen? 18 So hat sich also keiner gefunden, der zurückkehrte und Gott die Ehre gäbe, als dieser Fremdling? 19 Dann sprach er zu ihm: Steh auf und geh! Dein Glaube hat dir geholfen. 11-19: Dankbare Menschen sind gute Menschen. Den Undank hat Christus schmerzlich empfunden.

 

Wiederkunft Christi. 20 Auf die Frage der Pharisäer, wann das Reich Gottes komme, antwortete er ihnen: Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichem Gepränge (oder: nicht so, daß man ihm zusehen kann). 21 Es wird nicht heißen: Da ist es oder dort. Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch. 21: In der Person Christi hat das Reich Gottes still seinen Einzug in die Welt gehalten. Gegen die Sichtbarkeit der Kirche beweist der Satz also nichts. 22 Dann sprach er zu seinen Jüngern: Es werden Tage kommen, da ihr euch danach sehnt, auch nur einen Tag des Menschensohnes zu sehen, aber ihr werdet ihn nicht sehen. 23 Man wird zu euch sagen: Siehe, da ist er! Siehe, dort ist er! Gehet nicht dahin und lauft ihnen nicht nach! 24 Denn gleichwie der Blitz am Himmel aufflammt und von einem Ende bis zum andern unter dem Himmel hin leuchtet, so wird es mit dem Menschensohn sein an seinem Tage. 25 Zuvor aber muß er viel leiden und von diesem Geschlecht verworfen werden. 26 Wie es ging in den Tagen Noes, so wird es auch gehen in den Tagen des Menschensohnes. 27 Die Menschen aßen und tranken, freiten und ließen sich freien bis zu dem Tage, da Noe in die Arche ging. Da kam die Sintflut und vertilgte alle. 28 Es wird ebenso gehen wie in den Tagen Lots: Die Menschen aßen und tranken, kauften und verkauften, pflanzten und bauten; 29 an dem Tage aber, als Lot Sodoma verließ, regnete es Feuer und Schwefel vom Himmel und vertilgte alle. 30 Geradeso wird es zugehen an dem Tage, da der Menschensohn sich offenbart. 31 Wer an jenem Tage auf dem Dache ist und seine Gäste im Hause hat, steige nicht herab, sie zu holen, und wer auf dem Felde ist, kehre gleichfalls nicht zurück. 32 Denkt an Lots Weib! 33 Wer sein Leben zu retten sucht, wird es verlieren, und wer es verliert, wird es erhalten. 34 Ich sage euch: In jener Nacht werden zwei auf einem Lager sein, der eine wird aufgenommen, der andere zurückgelassen werden. 35 Zwei werden zusammen mahlen; die eine wird aufgenommen, die andere zurückgelassen werden. 36 [Zwei werden auf dem Felde sein; der eine wird aufgenommen, der andere zurückgelassen werden.] 37 Sie fragten ihn darauf: Wo, Herr? Er antwortete ihnen: Wo ein Aas ist, da sammeln sich auch die Geier. 22-37: Vgl. Mt 24,23. 26-27, 37-40

 

18 Gleichnis vom gottlosen Richter. Um ihnen zu zeigen, daß man allezeit beten müsse und nicht nachlassen dürfe, trug er ihnen ein Gleichnis vor: In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und nach keinem Menschen etwas fragte. Es war aber in jener Stadt eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Schaffe mir Recht gegen meine Widersacher! Lange Zeit wollte er nicht. Hernach aber sagte er sich: Zwar fürchte ich Gott nicht und frage nach keinem Menschen etwas; weil mir aber diese Witwe lästig fällt, will ich ihr doch zum Recht verhelfen, sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mir ins Gesicht. Der Herr fuhr fort: Hört, was der ungerechte Richter sagt! Gott aber sollte seinen Auserwählten nicht Recht schaffen, die doch Tag und Nacht zu ihm rufen, und sie lange warten lassen? Ich sage euch: Er wird ihnen ohne Verzug zu ihrem Recht verhelfen. Wird aber wohl der Menschensohn, wenn er kommt, auf Erden den Glauben finden?

 

Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner. Einigen aber, die von sich überzeugt waren, gerecht zu sein, und die andern verachteten, trug er folgendes Gleichnis vor: 10 Zwei Menschen gingen in den Tempel hinauf, um zu beten. Der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. 11 Der Pharisäer stellte sich hin und betete bei sich also: Gott, ich danke dir, daß ich nicht bin wie die übrigen Menschen, wie die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie der Zöllner da. 12 Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich erwerbe. 13 Der Zöllner aber stand weit hinten und getraute sich nicht einmal, seine Augen gen Himmel zu erheben, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig! 14 Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt nach Hause, ganz anders als jener. Denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden. 9-14: Ein Pharisäer galt ohne weiteres als besonders „fromm“, ein Zöllner war der Inbegriff der Gottlosigkeit. Gott aber sieht ins Herz.

 

In Judäa

 

An der Grenze von Judäa

Jesus, der Kinderfreund. 15 Die Leute brachten auch die kleinen Kinder zu ihm, damit er sie berühre. Als aber die Jünger das sahen, fuhren sie sie hart an. 16 Jesus aber rief sie herbei und sprach: Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret es ihnen nicht! Denn für solche ist das Reich Gottes. 17 Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen. 17: Vor Gott müssen auch die Erwachsenen Kinder bleiben. Die „Großen“ sind oft sehr klein in seinen Augen.

 

Der reiche Jüngling. 18 Ein Vornehmer fragte ihn: Guter Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu erlangen? 19 Jesus sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein. 20 Du kennst die Gebote: Du sollst nicht ehebrechen! Du sollst nicht töten! Du sollst nicht stehlen! Du sollst kein falsches Zeugnis geben! Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren! 21 Jener erwiderte: Das alles habe ich von Jugend auf beobachtet. 22 Da Jesus das hörte, sagte er zu ihm: Eines fehlt dir noch: Verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben. Dann komm und folge mir! 22: Der Vollkommene begnügt sich nicht mit dem, was geboten und verboten ist; er strebt in gänzlicher Hingabe nach dem Höchsten. 23 Da er aber das hörte, ward er sehr traurig, denn er war überaus reich. 24 Als Jesus ihn [so traurig] sah, sagte er: Wie schwer ist es für die, welche viel Besitz haben, ins Reich Gottes einzugehen! 25 Denn leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in das Reich Gottes. 25: Diese sprichwörtliche Redensart bezeichnet eine besonders schwierige oder fast unmögliche Sache. Oft hat der Reiche nicht das Geld, sondern das Geld hat ihn und läßt ihn nicht mehr los. 26 Da fragten die Zuhörer: Wer kann da gerettet werden? 27 Er antwortete: Was bei Menschen unmöglich ist, ist möglich bei Gott. 28 Petrus aber sprach: Siehe, wir haben unser Eigentum verlassen und sind dir nachgefolgt. 29 Er sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Es gibt keinen, der Haus oder Frau oder Brüder oder Eltern oder Kinder um des Reiches Gottes willen verläßt, 30 ohne daß er viel mehr empfängt in dieser Welt und in der künftigen ewiges Leben. 15-30: Vgl. Mt 19,l3-30; Mk 10,13-31.

 

Leidensweissagung. 31 Er nahm die Zwölf beiseite und sprach zu ihnen: Siehe, wir gehen nach Jerusalem hinauf. Nunmehr wird alles in Erfüllung gehen, was durch die Propheten über den Menschensohn geschrieben ist. 32 Er wird nämlich den Heiden übergeben, verspottet, mißhandelt und angespien werden. 33 Man wird ihn geißeln und dann töten, aber am dritten Tage wird er auferstehen. 34 Sie aber verstanden nichts davon; diese Rede blieb ihnen verborgen, und sie begriffen nicht, was damit gesagt war.

 

Von Jericho nach Jerusalem

Heilung des Blinden. 35 Es begab sich aber, als er sich Jericho näherte, saß ein Blinder am Weg und bettelte. 36 Er hörte die Volksmenge vorüberziehen und fragte, was das bedeute. 37 Man sagte ihm, Jesus von Nazareth gehe vorüber. 38 Da rief er: Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner! 39 Die Vorausgehenden fuhren ihn an und hießen ihn schweigen. Er aber rief nur noch lauter: Sohn Davids, erbarme dich meiner! 40 Da blieb Jesus stehen und ließ ihn zu sich führen. Als er herangekommen war, fragte er ihn: 41 Was willst du, daß ich dir tue? Jener sagte: Herr, daß ich wieder sehe! 42 Jesus sagte zu ihm: sei wieder sehend! Dein Glaube hat dir geholfen. 43 Sogleich konnte er wieder sehen und folgte ihm nach und pries Gott. Auch alles Volk, das zugesehen hatte, lobte Gott. 35-43: Vgl. Mt 20,29-34; Mk 10,46-52.

 

19 Der Zöllner Zachäus. Er kam dann nach Jericho hinein und ging hindurch. Daselbst war ein Mann namens Zachäus. Dieser war ein Oberzöllner und war reich. Er wollte Jesus in Person sehen; aber es war ihm wegen der Volksmenge nicht möglich, denn er war klein von Gestalt. Er lief deswegen voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um ihn zu sehen; denn dort mußte er vorbeikommen. Als Jesus an die Stelle kam, blickte er auf und sprach zu ihm: Zachäus, schnell steig herab! Denn heute muß ich in deinem Hause bleiben. Er stieg schnell herab und nahm ihn mit Freuden auf. Alle, die es sahen, murrten und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt, um Herberge zu nehmen. Zachäus aber trat vor den Herrn hin und sprach: Siehe, Herr, die Hälfte meines Vermögens gebe ich den Armen; und wenn ich jemand übervorteilt habe, so erstatte ich es vierfach. Jesus erwiderte ihm: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, weil auch er ein Sohn Abra­hams ist. 10 Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und zu retten, was verloren war. 1-10. Auch dieses Zeugnis der Sünderliebe Jesu hat nur Lukas überliefert. Die große Masse will Jesus sehen aus Sensationslust, den Zöllner aber treibt wahre Heilsbegierde. Soll Jesus bei uns Einkehr halten, so dürfen wir nicht mit der Masse laufen.

 

Gleichnis von den anvertrauten Pfunden. 11 Vor jenen Zuhörern fügte er auch ein Gleichnis an, weil er nahe bei Jerusalem war, und sie meinten, jetzt müsse gleich das Reich Gottes erscheinen. 12 Er sagte also: Ein vornehmer Mann zog in ein fernes Land, um die Königswürde zu erlangen und dann zurückzukehren. 13 Er rief zehn von seinen Knechten zu sich, gab ihnen zehn Minen und sagte zu ihnen: Treibt Handel damit, bis ich komme! 14 Seine Mitbürger aber haßten ihn, sie schickten ihm eine Gesandtschaft nach, die erklären sollte: Wir wollen nicht, daß dieser über uns König sei. 15 Und es geschah, als er im Besitze der Königskrone zurückkam, ließ er die Knechte rufen, denen er das Geld gegeben hatte, um zu erfahren, was jeder durch seinen Handel gewonnen habe. 16 Der erste erschien und sagte: Herr, deine Mine hat zehn Minen dazu eingebracht. 17 Er sprach zu ihm: Recht so, du guter Knecht! Weil du im Geringsten treu gewesen bist, sollst du Herrscher über zehn Städte sein. 18 Der zweite kam und sagte: Herr, deine Mine hat fünf Minen getragen. 19 Diesem sagte er: Auch du sollst über fünf Städte gesetzt sein. 20 Da kam der dritte und sagte: Herr, hier hast du deine Mine, ich habe sie im Schweißtuch aufgehoben, 21 denn ich fürchtete mich vor dir, weil du ein strenger Mann bist. Du nimmst, was du nicht angelegt, und erntest, was du nicht gesät hast. 22 Er entgegnete ihm: Aus deinem eigenen Munde will ich dir das Urteil sprechen, du nichtsnutziger Knecht. Du wußtest, daß ich ein strenger Mann bin und nehme, was ich nicht angelegt, und ernte, was ich nicht gesät habe. 23 Warum hast du mein Geld nicht auf die Bank gegeben, daß ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen wieder hätte erheben können? 23: Jede Gottesgabe stellt uns vor eine Aufgabe; sie zu vernachlässigen, ist Sünde. 24 Dann sagte er zu den Umstehenden: Nehmt ihm die Mine und gebt sie dem, der die zehn Minen hat! 25 Sie entgegneten ihm: Herr, er hat ja schon zehn Minen. 26 Ich sage euch: Jedem, der etwas hat, wird noch gegeben werden [und er wird Überfluß haben]; dem aber, der nicht hat, wird auch das genommen, was er hat. 27 Meine Feinde aber, die mich nicht zum König über sich haben wollten, bringt hierher und macht sie vor mir nieder. 11-27: Ob das Gleichnis von den Pfunden oder Minen nur eine andere Wiedergabe des Gleichnisses von den Talenten (Mt 25,14-30) ist, ist umstritten. Trotz einiger Ähnlichkeiten ist die Verschiedenheit sehr groß. Der Wert einer Mine betrug etwa 80 Mark.

 

Einzug in Jerusalem. 28 Nach diesen Worten schritt Jesus voran, hinauf nach Jerusalem. Und es begab sich, 29 als er in die Nähe von Bethphage und Bethanien am Ölberg kam, sandte er zwei seiner Jünger ab 30 mit dem Auftrag: Geht in das Dorf, das vor euch liegt. Wenn ihr hineinkommt, werdet ihr ein Füllen angebunden finden, auf dem noch niemand gesessen hat. Bindet es los und führet es her! 31 Wenn jemand euch fragt: Warum bindet ihr es los? sollt ihr antworten: Der Herr braucht es. 32 Die Abgesandten gingen hin und fanden es, wie er ihnen gesagt hatte. 33 Als sie das Füllen losbanden, sagten seine Eigentümer zu ihnen: Was bindet ihr das Füllen los? 34 Sie antworteten: Der Herr braucht es. 35 Sie führten es nun zu Jesus, legten ihre Kleider auf das Füllen und ließen Jesus aufsitzen. 36 Während er dahinzog, breiteten sie ihre Kleider auf dem Wege aus. 37 Als er sich schon dem Abstieg des Ölbergs näherte, begann die ganze Jüngerschar voll Freude mit lauter Stimme Gott zu loben wegen all der Wundertaten, die sie gesehen hatten. 38 Sie riefen: Hochgelobt sei der König, der da kommt im Namen des Herrn! Friede im Himmel und Ehre in der Höhe! 39 Einige Pharisäer, die unter der Volksmenge waren, sprachen zu ihm: Meister, verweise es deinen Jüngern! 40 Er entgegnete ihnen: Ich sage euch, wenn diese schweigen, werden die Steine rufen. 28-40: Mt 21,1-9; Mk 11,1-10; Jo 12,12-19

 

Jesu Klage über Jerusalem. 41 Als er der Stadt näher gekommen war und sie vor sich sah, weinte er über sie 42 und sprach: Wenn doch auch du an diesem deinem Tage erkannt hättest, was dir zum Heile dient! Nun aber ist es vor deinen Augen verborgen. 43 Es werden nämlich Tage über dich kommen, da werden deine Feinde einen Wall gegen dich aufwerfen, dich einschließen und von allen Seiten bedrängen. 44 Sie werden dich und deine Kinder, die in dir wohnen, zu Boden schmettern und keinen Stein in dir auf dem andern lassen, weil du die Zeit deiner Heimsuchung nicht erkannt hast. 41-44: Nur bei Lukas lesen wir diesen erschütternden Klageruf des Herrn. Der Grundakkord des Evangeliums klingt wuchtig darin wider. Jedes Volk und jeder Mensch hat solche Stunden der Entscheidung.

 

Tempelreinigung. 45 Dann ging er in den Tempel und trieb die Verkäufer [und Käufer] hinaus mit den Worten: 46 Es steht geschrieben: Mein Haus soll ein Bethaus sein. Ihr aber habt es zu einer Räuberhöhle gemacht. 47 Er lehrte dann täglich im Tempel. Die Oberpriester aber und die Schriftgelehrten sowie die Führer des Volkes suchten ihn ums Leben zu bringen, 48 wußten aber nicht, was sie machen sollten; denn das ganze Volk war gespannt, ihn zu hören. 45-48: Vgl. Mt 21,12-13; Mk 11,15-17; Jo 2,13-16.

 

Streitreden Jesu im Tempel

20 Die Frage nach Jesu Vollmacht. Und es geschah an einem der Tage, als er das Volk im Tempel lehrte und die frohe Botschaft verkündete, traten die Oberpriester und Schriftgelehrten mit den Ältesten an ihn heran und legten ihm die Frage vor: Sag uns, welche Vollmacht du hast, dies zu tun, oder wer ist es, der dir diese Vollmacht verlieh? Jesus gab ihnen zur Antwort: Auch ich möchte euch eine Frage vorlegen, beantwortet sie mir! Stammte die Taufe des Johannes vom Himmel oder von Menschen? Sie dachten nun bei sich: Sagen wir „vom Himmel“, so wird er uns entgegnen: Warum habt ihr ihm dann nicht geglaubt? Sagen wir aber „von Menschen“, so wird das ganze Volk uns steinigen; denn es ist überzeugt, daß Johannes ein Prophet war. Sie antworteten daher, sie wüßten nicht, woher sie stamme. 7: Auf eine Lüge kommt es ihnen nicht an, weil ihnen das Geständnis der Wahrheit unbequem ist. Darauf erwiderte Jesus: Dann sag ich euch auch nicht, mit welcher Vollmacht ich dies tue. 1-8: Vgl. Mt 21, 23-77: Mk 11,27-33.

 

Gleichnis von den Winzern. Er trug aber dem Volke folgendes Gleichnis vor: Ein Mann pflanzte einen Weinberg und verpachtete ihn an Winzer. Dann verreiste er auf lange Zeit außer Landes. 10 Als es Zeit war, ließ er durch einen Knecht die Winzer auffordern, ihm seinen Teil vom Ertrag des Weinbergs abzuliefern. Doch die Winzer schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. 11 Er schickte noch einen zweiten Knecht. Auch ihn schlugen sie, beschimpften ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. 12 Er schickte noch einen dritten: Diesen verwundeten sie sogar und stießen ihn hinaus. 13 Da sprach der Eigentümer des Weinbergs: Was soll ich tun? Ich will meinen geliebten Sohn schicken; vor ihm werden sie doch wohl Achtung haben. 14 Als aber die Winzer ihn erblickten, berieten sie miteinander und sagten: Das ist der Erbe; wir wollen ihn umbringen; dann ist das Erbe unser. 14: Vielleicht lautete der Pachtvertrag entsprechend für den Todesfall des einzigen Erben. 15 Und sie stießen ihn aus dem Weinberg hinaus und töteten ihn. Was wird nun der Eigentümer des Weinbergs ihnen antun? 16 Er wird kommen, die Winzer umbringen lassen und den Weinberg andern geben. Als sie das hörten, entgegneten sie: Das sei ferne! 17 Er aber blickte sie an und sprach: Was bedeutet denn die Stelle der Schrift: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist der Eckstein geworden? 18 Jeder, der auf jenen Stein fällt, wird zerschmettert werden; auf wen er aber fällt, den wird er zermalmen? 19 Die Oberpriester und Schriftgelehrten suchten noch in der gleichen Stunde Hand an ihn zu legen; doch fürchteten sie sich vor dem Volk. Sie hatten nämlich gemerkt, daß er mit diesem Gleichnis sie gemeint hatte. 9-19: Vgl. Mt 21,33-46; Mk 12,1-12.

 

Die Steuerfrage. 20 So beobachteten sie ihn denn scharf und sandten Aufpasser aus, welche sich den Anschein rechtschaffener Leute geben sollten, um ihn in einer Rede zu fangen. Dann wollten sie ihn der Obrigkeit und der Gewalt des Landpflegers ausliefern. 20: Diese Methode findet immer noch Anwendung. 21 So fragten sie ihn denn: Meister, wir wissen, daß du recht redest und lehrst und nicht auf die Person schaust, sondern den Weg Gottes nach der Wahrheit lehrst. 22 Ist es uns erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen oder nicht? 23 Er durchschaute aber ihre Bosheit und entgegnete ihnen: [Was versucht ihr mich?] 24 Zeigt mir einen Denar! Wessen Bild und Aufschrift trägt er? Sie antworteten ihm: Des Kaisers. 25 Da sprach er zu ihnen: Gebt also dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. 24-25 Indem sie kaiserliches Geld annehmen, erkennen sie die Oberhoheit des Kaisers an, müssen also auch Steuern zahlen. 26 Und sie waren nicht imstande, ihn vor dem Volke bei einem Wort zu fassen, und voll Verwunderung über seine Antwort schwiegen sie.

 

Über die Auferstehung. 27 Dann kamen einige Sadduzäer, welche die Auferstehung leugnen. Sie fragten ihn: 28 Meister, Moses hat uns vorgeschrieben: Wenn jemandes Bruder kinderlos stirbt und eine Witwe hinterläßt, so soll sein Bruder die Frau heiraten und das Geschlecht seines Bruders fortpflanzen. 29 Nun waren einmal sieben Brüder. Der erste nahm eine Frau und starb kinderlos. 30 Nun heiratete sie der zweite [auch er starb kinderlos]; 31 dann nahm sie der dritte und so alle sieben. Sie starben aber, ohne Nachkommen zu hinterlassen. 32 Zuletzt von allen starb auch die Frau. 33 Wessen Frau wird sie nun bei der Auferstehung sein? Haben ja doch alle sieben sie zur Frau gehabt. 34 Jesus erwiderte ihnen: Die Kinder dieser Welt heiraten und lassen sich heiraten. 35 Diejenigen aber, die jener Welt und der Auferstehung von den Toten für würdig erachtet werden, heiraten nicht, noch lassen sie sich heiraten. 36 Denn sie können auch nicht mehr sterben; sie sind den Engeln gleich und Kinder Gottes, da sie Kinder der Auferstehung sind. 37 Daß aber die Toten auferstehen, hat auch Moses angedeutet an der Stelle vom Dornbusch, wo er den Herrn „den Gott Abra­hams und den Gott Isaaks und den Gott Jakobs“ nennt. 38 Er ist aber nicht ein Gott von Toten, sondern von Lebenden. Denn ihm leben alle. 39 Einige von den Schriftgelehrten sagten hierauf zu ihm: Meister, du hast gut gesprochen. 40 Von jetzt an wagten sie nicht mehr, ihn über etwas zu fragen. 20-40: Vgl. Mt 22,15-33, Mk 12,13-27.

 

Christus, der Gottessohn. 41 Er aber sprach zu ihnen: Wie kann man sagen, der Messias sei Davids Sohn? 42 Sagt doch David selbst im Buch der Psalmen: Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, 43 bis ich deine Feinde dir als Schemel unter die Füße lege. 44 David nennt ihn also „Herr“ Wie ist er dann sein Sohn? 41-44: Vgl. Mt 22,41-46; Mk 12,35-37. Jesus will nicht etwa „arische“ Abstammung beanspruchen, sondern dartun, daß er als Mensch zwar leiblicher Nachkomme Davids, aber als Person der Sohn Gottes sei.

 

Warnung vor den Schriftgelehrten. 45 Während das ganze Volk zuhörte, sprach er zu seinen Jüngern: 46 Hütet euch vor den Schriftgelehrten! Sie gehen gern in langen Gewändern einher, lieben es, auf Marktplätzen gegrüßt zu werden und in den Synagogen die ersten Sitze und bei den Gastmählern die ersten Plätze einzunehmen. 47 Sie verzehren die Häuser der Witwen und sagen zum Schein lange Gebete her. Sie werden ein sehr strenges Gericht zu gewärtigen haben. 45-47: Vgl. Mt 23; Mk 12,38-40.

 

21 Das Scherflein der Witwe. Als er aufblickte sah er, wie reiche Leute ihre Gaben in die Schatzkammer einlegten. Er sah aber auch eine arme Witwe dort zwei Heller einlegen. Da sagte er: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr als alle eingelegt. Denn all diese haben von ihrem Überfluß zu den Gaben Gottes hineingelegt, diese aber hat von ihrer geringen Habe alles, was sie zum Lebensunterhalt brauchte, eingelegt. 1-4: Vgl. die Erklärung zu Mk 12,41-44.

 

Vom Untergang Jerusalems und der Welt

Allgemeine Vorzeichen. Als einige vom Tempel sagten, er sei mit schönen Steinen und Weihegeschenken geschmückt, sprach er: Es werden Tage kommen, da von dem, was ihr da seht, kein Stein auf dem andern gelassen wird; alles wird zerstört werden. Sie fragten ihn: Meister, wann wird das geschehen, und an welchem Zeichen wird man den Beginn dieser Ereignisse erkennen? Er sprach: Sehet zu, daß ihr euch nicht irreführen lasset! Denn viele werden unter meinem Namen auftreten und sagen: Ich bin es, und: Die Zeit ist gekommen. Lauft ihnen nicht nach! Wenn ihr aber von Kämpfen und Aufständen hört, laßt euch nicht schrecken! Denn das muß zuvor kommen, aber das Ende ist noch nicht gleich da. 10 Alsdann sprach er zu ihnen: Es wird sich Volk gegen Volk und Reich gegen Reich erheben, 11 starke Erdbeben wird es mancherorts geben, Pest, Hungersnot, Schrecknisse am Himmel und gewaltige Zeichen. 12 Aber bevor all dies geschieht, wird man Hand an euch legen, euch verfolgen, den Synagogen und Gefängnissen übergeben, vor Könige und Statthalter schleppen um meines Namens willen. 13 Der Ausgang aber wird für euch ein Ruhmeszeugnis sein. 14 Nehmt es euch also zu Herzen und denkt nicht zuvor darüber nach, wie ihr euch verantworten sollt. 15 Denn ich werde euch Beredsamkeit und Weisheit verleihen, der alle eure Gegner nicht zu widerstehen und zu widersprechen vermögen. 16 Ihr werdet sogar von Eltern, Brüdern, Verwandten und Freunden ausgeliefert werden, und manche aus euch wird man ums Leben bringen; 17 ihr werdet von allen gehaßt sein um meines Namens willen; 18 aber kein Haar soll von eurem Haupt verlorengehen. 19 Durch euer standhaftes Ausharren werdet ihr eure Seelen gewinnen.

 

Untergang Jerusalems. 20 Wenn ihr aber Jerusalem von Heeren umlagert seht, dann wisset, daß seine Verwüstung nahe ist. 21 Dann sollen die, welche in Judäa sind, ins Gebirge fliehen, die in der Stadt sind, sollen wegziehen, und die auf dem Land sind, nicht in die Stadt ziehen. 21: Die Christen Jerusalems zogen vor der Belagerung nach Pella im Ostjordanland. 22 Denn das sind Tage der Rache, an denen sich alles erfüllt, was geschrieben steht. 23 Wehe aber den hoffenden und stillenden Frauen in jenen Tagen! Denn es wird eine große Drangsal im Lande herrschen und ein Zorngericht dieses Volk treffen. 24 Sie werden unter dem scharfen Schwert fallen und als Gefangene unter alle Völker verschleppt werden, und Jerusalem wird von den Heiden zertreten werden, bis die Zeiten der Heiden abgelaufen sind. 24: Die Zeiten der Heiden laufen ab, wenn der Weltenrichter naht.

 

Untergang der Welt. 25 Es werden Zeichen erscheinen an Sonne, Mond und Sternen; auf der Erde wird unter den Völkern Angst und Hilflosigkeit herrschen wegen des Brausens des Meeres und der Brandung. 26 Die Menschen werden vergehen aus Furcht in der Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen werden. Denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. 27 Dann wird man den Menschensohn in einer Wolke kommen sehen mit großer Macht und Herrlichkeit. 28 Wenn das aber im Anzug ist, dann richtet euch auf und erhebet eure Häupter, denn eure Erlösung naht. 29 Er trug ihnen ein Gleichnis vor: Seht den Feigenbaum und alle anderen Bäume! 30 Wenn sie zu treiben beginnen, wißt ihr von selbst, sobald ihr es seht, daß der Sommer nahe ist. 31 So sollt ihr auch, wenn ihr diese Ereignisse eintreten sehet, erkennen, daß das Reich Gottes nahe ist. 32 Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht soll nicht vergehen, bis all das geschieht. 33 Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.

 

Vorsicht und Ausdauer. 34 Nehmt euch in acht, daß eure Herzen nicht durch Völlerei, Trunkenheit und Sorgen um den Lebensunterhalt beschwert werden und jener Tag nicht unvermutet über euch hereinbreche 35 wie eine Schlinge; denn er wird über alle kommen, die auf der ganzen Erde wohnen. 36 Wachet daher allezeit und betet, damit ihr imstande seid, all dem, was bevorsteht, zu entgehen und vor den Menschensohn zu treten. 34-36: Christen müssen ihr Sinnen und Trachten auf das Jenseits einstellen. 5-36: Vgl. Mt 24-25; Mk 13. 37 Bei Tag lehrte er im Tempel, bei Nacht aber ging er hinaus und hielt sich auf dem Berg auf, der Ölberg heißt. 38 In der Frühe kam alles Volk zu ihm in den Tempel, ihn zu hören.

 

Leiden und Sterben Jesu

 

Verrat und Abendmahl

22 Verrat des Judas. Das Fest der ungesäuerten Brote, Ostern genannt, war nahe. Die Oberpriester und Schriftgelehrten sannen darauf, wie sie ihn töten könnten; sie fürchteten jedoch das Volk. 1-2: Vgl. Mt 26,1-5, Mk 14,1-2 In Judas aber, der Iskariot genannt wurde, einen von den Zwölfen, fuhr der Satan. Er ging hin und besprach sich mit den Oberpriestern und Befehlshabern, wie er ihnen Jesus ausliefern könnte. Sie freuten sich und kamen mit ihm überein, ihm Geld zu geben. Er sagte zu und wartete auf eine günstige Gelegenheit, ihn ohne Aufsehen beim Volk an sie auszuliefern. 3-6: Vgl.. Mt 6,14-16; Mk 14,10-11; Jo 13,2. 27. Judas hat die Feinde Jesu aus großer Verlegenheit befreit. Trotzdem bieten sie ihm nur einen Schacherlohn an.

 

Abendmahlsfeier. Es kam aber der Tag der ungesäuerten Brote, an dem man das Osterlamm schlachten mußte. Er sandte deswegen den Petrus und Johannes fort mit dem Auftrag: Geht und richtet uns das Osterlamm zum Genuß her! Sie fragten: Wo sollen wir es bereiten? 10 Er sagte zu ihnen: Seht, wenn ihr in die Stadt hineinkommt, wird euch ein Mann begegnen, der einen Wasserkrug trägt; folgt ihm in das Haus, in das er hineingeht, 11 und sagt dem Hausherrn: Der Meister läßt dich fragen: Wo ist das Gemach, in dem ich mit meinen Jüngern das Osterlamm essen kann? 12 Er wird euch ein großes, mit Polstern ausgestattetes Obergemach zeigen; dort bereitet es zu! 13 Sie gingen hin und fanden es, wie er es ihnen gesagt hatte, dann bereiteten sie das Ostermahl.

 

14 Als die Stunde da war, setzte er sich mit den zwölf Aposteln zu Tische. 15 Dann sprach er zu ihnen: Gar sehnlich habe ich danach verlangt, dieses Ostermahl mit euch zu essen, bevor ich leide. 16 Denn ich sage euch: Ich werde es von jetzt an nicht mehr essen, bis es seine Erfüllung erhält im Reiche Gottes. 17 Da nahm er einen Kelch, dankte und sprach: Nehmet ihn und teilet ihn unter euch! 18 Denn ich sage euch: Ich werde vom Gewächs des Weinstocks von nun an nicht mehr trinken, bis das Reich Gottes kommt. 16-18: Das Ostermahl erhält seine vollkommene Erfüllung erst in den Freuden des Himmels. 19 Alsdann nahm er Brot, dankte, brach es, gab es ihnen und sprach: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächntis! 20 Ebenso nahm er nach dem Mahle den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blute, das für euch vergossen wird. 19-20: Die Einsetzungsworte im Lukasevangelium stimmen am meisten mit denen überein, die der hl. Paulus überliefert hat. 21 Doch seht, die Hand meines Verräters ist mit mir auf dem Tisch. 22 Der Menschensohn geht zwar hin, wie es bestimmt ist. Indes wehe dem Menschen, durch den er verraten wird. 23 Da fingen sie an, einander zu fragen, wer von ihnen so etwas tun würde.

 

Streit der Jünger. 24 Es entstand auch ein Streit unter ihnen, wer von ihnen wohl der größte sei. 25 Er aber sprach zu ihnen: Die Könige der Völker herrschen über sie, und ihre Gewalthaber lassen sich „gnädige Herren“ nennen. 26 Bei euch darf es nicht so sein, sondern der Größte unter euch sei wie der Geringste und der Vorsteher wie der Diener. 27 Denn wer ist größer, der zu Tisch sitzt oder der bedient? Doch der, welcher zu Tisch sitzt! Ich aber bin unter euch wie der Diener. 28 Ihr aber habt mit mir in meinen Anfechtungen ausgeharrt; 29 so vermache ich euch denn das Reich, wie mein Vater es mir vermacht hat. 30 Ihr sollt in meinem Reiche an meinem Tische essen und trinken und auf Thronen sitzen, die zwölf Stämme Israels zu richten. 7-30: Vgl. Mt 26,17-29; Mk 14,12-29; Jo 13,1-35; 1 Kor 11,23-26.

 

Voraussage der Verleugnung Petri. 31 [Der Herr sprach]: Simon, Simon, siehe, der Satan hat verlangt, euch sieben zu dürfen wie den Weizen. 32 Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht schwinde; und wenn du dich dereinst zurückgefunden hast, so stärke deine Brüder! 33 Der aber erwiderte ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir in Kerker und Tod zu gehen. 34 Doch er entgegnete ihm: Ich sage dir, Petrus, der Hahn wird heute nicht krähen, bis du dreimal geleugnet hast, mich zu kennen. 35 Er sagte ihnen auch: Als ich euch ohne Geldbeutel, ohne Tasche und Schuhe aussandte, hat euch da irgend etwas gemangelt? Sie antworteten: Nichts. 36 Da sprach er zu ihnen: Nun aber soll, wer einen Beutel hat, ihn an sich nehmen, ebenso, wer eine Tasche hat, und wer kein Schwert hat, soll seinen Mantel verkaufen und sich dafür eines kaufen. 37 Denn ich sage euch: An mir muß noch in Erfüllung gehen, was geschrieben steht: Er ist unter die Übeltäter gerechnet worden. Es geht ja mit mir zu Ende. 38 Sie sagten zu ihm: Herr, hier sind zwei Schwerter. Er erwiderte ihnen: Genug jetzt! 31-38: Vgl. Mt 26,31-35; Mk 14,27-31; Jo 13,36-38. Nicht aus sich, sondern nur durch besondere Gnade vermag Petrus seinen Führerposten zu bekleiden.

 

Am Ölberg

Todesangst Jesu. 39 Darauf ging er hinaus und begab sich nach seiner Gewohnheit an den Ölberg. Die Jünger folgten ihm. 40 Als er an den Ort kam, sprach er zu ihnen: Betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet! 41 Dann entfernte er sich von ihnen ungefähr einen Steinwurf weit und betete auf den Knien: 42 Vater, wenn du willst, laß diesen Kelch an mir vorübergehen! Doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe! 43 Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. 44 Als ihn Todeskampf befiel, betete er noch inständiger, und sein Schweiß wurde wie Blutstropfen, die auf die Erde rannen. 43-44: Dem Arzt Lukas, der allein die Stärkung durch den Engel und den Blutschweiß erwähnt, sind wir für diese Mitteilung dankbar. Nicht aus Angst hat der Herr Blut geschwitzt, weil die Angst das Blut stocken läßt, sondern wegen der Heftigkeit des Kampfes seiner menschlichen Natur gegen das Todesleiden. 45 Er erhob sich nun vom Gebet und ging zu seinen Jüngern; er fand sie vor Traurigkeit schlafend. 46 Da sprach er zu ihnen: Warum schlafet ihr? Steht auf und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet!

 

Gefangennahme Jesu. Luk 22 47 Noch redete er; da kam eine Rotte. Einer von den Zwölfen, Judas mit Namen, ging ihnen voraus; er trat zu Jesus hin, ihn zu küssen. 48 Jesus aber sprach zu ihm: Judas, mit einem Kusse verrätst du den Menschensohn? 49 Als seine Begleiter sahen, was kommen würde, sagten sie: Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen? 50 Einer von ihnen schlug wirklich nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm das rechte Ohr ab. 51 Jesus sagte darauf: Laßt das! Nicht weiter! Dann berührte er das Ohr und heilte ihn. 52 Zu den Oberpriestern aber und den Befehlshabern der Tempelwache und den Ältesten, die gegen ihn angerückt waren, sprach Jesus: Wie gegen einen Räuber seid ihr ausgezogen mit Schwertern und Prügeln. 52: Die Vorsteher der 24 Priesterklassen sowie die obersten Tempelbeamten aus der priesterlichen Aristokratie werden meist „Hohepriester“ genannt. Um sie von den eigentlichen Trägern dieses Titels, dem jeweiligen Inhaber des höchsten Amtes in Israel und von seinen noch lebenden Vorgängern zu unterscheiden, würden jene besser als „Oberpriester“ bezeichnet. 53 Als ich Tag für Tag bei euch im Tempel war, habt ihr nicht Hand an mich gelegt. Aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis. 39-53: Vgl. Mt 26,30. 36-56; Mk 14. 26. 32-57; Jo 18,1-11.

 

Jesus vor dem Hohen Rate

Verleugnung des Petrus. 54 Sie führten ihn gefangen weg und brachten ihn in das Haus des Hohenpriesters; Petrus aber folgte von ferne. 55 Die Leute hatten mitten im Hof ein Feuer angezündet und sich dazu gesetzt; auch Petrus setzte sich mitten unter sie. 56 Da sah ihn eine Magd im Lichtschein sitzen, faßte ihn ins Auge und sagte dann: Der war auch bei ihm. 57 Er aber leugnete es, indem er sagte: Weib, ich kenne ihn nicht. 58 Ein wenig später erblickte ihn ein anderer und sagte: Auch du gehörst zu ihnen! Petrus entgegnete: Nein, Mensch. 59 Nach etwa einer Stunde versicherte ein anderer ganz bestimmt: Wahrlich, der war auch bei ihm, er ist ja ein Galiläer. 60 Petrus entgegnete: Mensch, ich weiß nicht, was du da sagen willst. Noch redete er, da krähte auch schon der Hahn. 61 Da wandte der Herr sich um und sah Petrus an. Jetzt erinnerte sich Petrus der Worte des Herrn, wie er ihm gesagt hatte: Bevor der Hahn heute kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. 62 Und er ging hinaus und weinte bitterlich. 63 Die Männer, die Jesus bewachten, verspotteten und mißhandelten ihn; 64 sie verhüllten sein Gesicht, [schlugen ihn] und fragten: Weissage! Wer ist's, der dich geschlagen hat? 65 Noch viele andere Schmähungen stießen sie gegen ihn aus. 54-65: Vgl. Mt 26,57-58; 67-75; Mk 14,53-54. 65-72; Jo 18,15-18. 25-27.

 

Gerichtssitzung des Synedriums. 66 Als es Tag geworden war, versammelten sich die Ältesten des Volkes, die Oberpriester und Schriftgelehrten, ließen ihn in ihren Sitzungssaal führen 67 und sprachen: Bist du der Messias, so sage es uns! Er entgegnete ihnen: Wenn ich es euch sage, so glaubt ihr mir nicht, 68 und wenn ich euch frage, so antwortet ihr mir nicht [und laßt mich nicht frei]. 69 Aber von nun an wird der Menschensohn zur Rechten des allmächtigen Gottes sitzen. 70 Da sprachen alle: Du bist also der Sohn Gottes? Er antwortete: Ihr sagt es; ich bin es. 71 Da sprachen sie: Was brauchen wir noch ein Zeugnis? Wir haben es ja selbst aus seinem eigenen Mund gehört. 66-71: vgl. Mt 26,59-66; 27,1; Mk 14,55-64; 15,1; Jo 18,24. In majestätischer Ruhe und Würde steht der Angeklagte vor seinen ungerechten Richtern.

 

Jesus vor Pilatus und Herodes

23 Verhandlung vor Pilatus. Die ganze Versammlung erhob sich nun, und sie führten ihn zu Pilatus. Sie begannen mit folgender Anklage gegen ihn: Wir haben gefunden, daß dieser unser Volk aufwiegelt; er verbietet, dem Kaiser Steuer zu zahlen, und sagt, er sei der Messiaskönig. Pilatus fragte ihn: Bist du der König der Juden? Er antwortete: Ja, ich bin es. Pilatus erklärte den Oberpriestern und Volksscharen: Ich finde keine Schuld an diesem Menschen. Sie aber riefen ihm noch ungestümer zu: Durch seine Lehre bringt er das ganze Judenland in Aufruhr, angefangen von Galiläa bis hierher. Als Pilatus dies hörte, fragte er, ob der Mann aus Galiläa sei. Als er vernahm, daß er zum Machtgebiete des Herodes gehöre, schickte er ihn zu Herodes, der in jenen Tagen gleichfalls in Jerusalem war. 7: So glaubte Pilatus, sich aus der Sache ziehen zu können, die ihm lästig und heikel war. 1-7: vgl. Mt 27,2. 11-14; Mk 15, 1-5; Jo 18,28-38.7

 

Jesus vor Herodes. Herodes freute sich sehr, als er Jesus sah, denn schon lange hatte er gewünscht, ihn zu sehen, weil er viel über ihn gehört hatte, und er hoffte, eine Wundertat von ihm zu sehen. So stellte er denn viele Fragen an ihn; Jesus aber gab ihm keine Antwort. 10 Unterdessen standen die Oberpriester und Schriftgelehrten da und klagten ihn heftig an. 11 Da verachtete ihn Herodes mit seinem Gefolge, verspottete ihn, ließ ihm ein Prunkkleid anziehen und schickte ihn zu Pilatus zurück. 12 An eben diesem Tage wurden Herodes und Pilatus miteinander befreundet, während sie vorher sich feind gewesen waren. 8-12: Herodes hatte einen Palast in Jerusalem. Jesus tut diesem Ehebrecher nicht die Ehre an, ein Wort zu erwidern, obschon er sich so hätte die Freiheit erwirken können.

 

Jesus wieder vor Pilatus. 13 Pilatus ließ nun die Oberpriester, die Ratsmitglieder und das Volk zusammenkommen 14 und sagte zu ihnen: Ihr habt diesen Mann da zu mir gebracht, weil er das Volk aufwiegle; ich habe ihn in eurer Gegenwart verhört, habe aber keine der Anklagen, die ihr wider diesen Mann vorbringt, für begründet gefunden. 15 Aber auch Herodes nicht; denn er hat ihn zu uns zurückgeschickt. Wahrlich, er hat nichts getan, was den Tod verdiente. 16 Ich werde ihn also züchtigen lassen und dann freigeben.

 

Jesus und Barabbas. 17 Auf den Festtag mußte er ihnen einen Gefangenen freilassen. 18 Da schrie der ganze Haufe zusammen: Hinweg mit diesem! Gib uns den Barabbas frei! 19 Dieser war wegen eines Aufruhrs in der Stadt und wegen eines Mordes ins Gefängnis geworfen worden. 19: Wenn es sich um einen politischen Aufruhr gehandelt hat, galt Barabbas als Patriot, und das Vorgehen des Pilatus war höchst ungeschickt. 20 Abermals redete ihnen Pilatus zu, da er Jesus freigeben wollte. 21 Doch sie schrien: Ans Kreuz mit ihm, ans Kreuz mit ihm! 22 Zum dritten Male sagte er zu ihnen: Was hat er denn Böses getan? Ich habe keine Todesschuld an ihm gefunden; ich will ihn also züchtigen lassen und dann freigeben. 23 Sie aber setzten ihm mit lautem Geschrei zu und forderten seine Kreuzigung; ihr Geschrei drang auch durch. 24 Pilatus entschied, daß ihrem Verlangen willfahren werde. 25 Er ließ also den frei, der wegen Aufruhrs und Mordes im Kerker lag und den sie verlangten. Jesus aber gab er ihrem Willen preis. 13-25: Vgl. Mt 27,15-26; Mk 15,6-15; Jo 18,39-19,16.

 

Golgotha

Auf dem Kreuzweg. 26 Als sie ihn dann abführten, hielten sie einen gewissen Simon von Cyrene an, der gerade vom Felde kam, und luden ihm das Kreuz auf, damit er es Jesus nachtrage. 27 Eine große Menge Volkes folgte ihm, auch Frauen, die über ihn weinten und klagten. 28 Jesus wandte sich zu ihnen um und sprach: Ihr Töchter Jerusalems, weint nicht über mich, sondern weint über euch selbst und über eure Kinder! 29 Denn seht, es kommen Tage, da man sagen wird: Selig die Unfruchtbaren und die Frauen, die nicht Mutter wurden und deren Brust nicht nährte. 30 Dann wird man zu den Bergen sagen: Fallet über uns! Und zu den Hügeln: Bedecket uns! 31 Denn wenn man das am grünen Holz tut, was wird dann mit dem dürren geschehen? 32 Mit ihm wurden aber auch noch zwei Missetäter zur Hinrichtung geführt. 26-32: Vgl. Mt 27,31-32; Mk 15,20-21, Jo 19; Jo 16-17. Die Begegnung mit den weinenden Frauen erzählt nur Lukas. Ihnen hält der Herr seine letzte Predigt. Das lebensfrische Holz ist der unschuldige Erlöser, das dürre sind die des Gnadenlebens beraubten Juden.

 

Kreuzigung. 33 Als man an den Ort gelangte, der „Schädel“ heißt, kreuzigte man ihn dort und die Verbrecher, den einen zu seiner Rechten, den andern zu seiner Linken. 34 Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! Sie verteilten dann seine Kleider, indem sie das Los warfen. 35 Das Volk stand da und schaute zu. Die Ratsmitglieder aber verspotteten ihn: Andern hat er geholfen, er mag sich selbst helfen, wenn er der Gesalbte Gottes, der Auserwählte, ist. 36 Auch die Soldaten verhöhnten ihn. Sie traten hinzu und boten ihm Essig an 37 mit den Worten: Wenn du der König der Juden bist, so hilf dir selbst! 38 Über ihm war eine Inschrift angebracht [in griechischer, lateinischer und hebräischer Sprache]: Das ist der König der Juden. 39 Einer von den gehenkten Verbrechern lästerte ihn: Bist du nicht der Messias? Dann hilf dir selbst und uns! 40 Der andere aber wies ihn zurecht mit den Worten: Fürchtest auch du Gott nicht, da du doch die gleiche Strafe erleidest? 41 Wir freilich leiden mit Recht; denn wir empfangen die gerechte Strafe für unsere Taten; dieser aber hat nichts Böses getan. 42 Dann sprach er: Jesus gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst! 43 Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein. 33-43: Vgl. Mt 27,33-49; Mk 15,22-36; Jo 19,18-30. Das Gebet Jesu für seine Todfeinde (V. 34) und das Gnadenwort an den reuigen Schächer gehören zum Sondergut des Lukasevangeliums.

 

Tod Jesu. 44 Es war bereits etwa um die sechste Stunde, da brach eine Finsternis über das ganze Land herein, die bis zur neunten Stunde dauerte, 45 weil die Sonne ihren Schein verlor. Der Vorhang des Tempels riß mitten entzwei. 46 Da rief Jesus mit lauter Stimme: Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist. Nach diesen Worten verschied er. 47 Als aber der Hauptmann sah, was geschehen war, pries er Gott und sprach: Wahrlich, dieser Mensch war gerecht. 48 Und all die Volksscharen, die zu diesem Schauspiel zusammengekommen waren und die Ereignisse sahen, schlugen an ihre Brust und kehrten heim. 49 Alle seine Bekannten aber, auch die Frauen, die ihm von Galiläa her gefolgt waren, standen von ferne, um zu sehen, was vorging. 49: Es ist also falsch, zu behaupten, von den Jüngern Jesu sei nur Johannes dem Meister nach Golgotha gefolgt. Gerade Lukas, der soviel Rühmendes von den Frauen im Gefolge des Herrn zu sagen weiß, nennt hier die Männer zuerst. 44-49: Vgl. Mt 27,50-56; Mk 15,37-41; Jo 19,30.

 

Begräbnis Jesu. 50 Und siehe, ein Mann namens Joseph, ein Mitglied des Hohen Rates, ein guter und gerechter Mann, 51 von Arimathäa, einer Stadt Judäas, der selbst auf das Reich Gottes wartete, hatte ihrem Beschluß und ihrem Vorgehen nicht zugestimmt. 52 Dieser ging zu Pilatus und bat um den Leichnam Jesu. 53 Er nahm ihn (vom Kreuze) ab, hüllte ihn in Leinwand und legte ihn in ein Felsengrab, in das noch niemand gelegt worden war. 54 Es war Rüsttag, und der Sabbat brach schon an. 54: Der Sabbat begann beim Sonnenuntergang am Freitag. 55 Die Frauen aber, die mit ihm aus Galiläa gekommen waren, waren mitgegangen und hatten das Grab und die Bestattung seines Leichnams mit angesehen. 56 Sie kehrten darauf zurück und bereiteten Spezereien und Salben zu; am Sabbat aber ruhten sie nach dem Gesetz. 50-56: Vgl. Mt 27,57-61; Mk 15,42-47; Jo 19,38-42.

 

Jesu Auferstehung und Himmelfahrt

24 Die Frauen beim Grabe. Am ersten Wochentage aber gingen sie in aller Frühe zum Grabe mit den Spezereien, die sie zubereitet hatten. Sie fanden den Stein vom Grabe weggewälzt und gingen hinein, fanden aber den Leichnam des Herrn Jesus nicht. Und es geschah, während sie noch bestürzt waren, siehe, da standen zwei Männer in glänzendem Gewande vor ihnen. Sie erschraken und senkten den Blick zu Boden. Diese aber sprachen zu ihnen: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden. Erinnert euch daran, wie er zu euch sagte, als er noch in Galiläa war: Der Menschensohn muß in die Hände der Sünder ausgeliefert und gekreuzigt werden, aber am dritten Tage auferstehen. Da erinnerten sie sich wieder an seine Worte. Sie kehrten vom Grabe zurück und meldeten all das den Elfen und allen übrigen. 10 Es waren aber Maria Magdalena, Johanna, Maria, die Mutter des Jakobus, und noch andere mit ihnen, die den Aposteln diese Nachricht brachten. 11 Ihre Worte kamen ihnen aber wie törichtes Gerede vor, und sie glaubten ihnen nicht. 12 Petrus aber machte sich auf und eilte zum Grabe. Er neigte sich vor und sah nur die Leinentücher daliegen. Voll Staunen über das Geschehene ging er weg.

 

Die Emmausjünger. 13 Und siehe, am gleichen Tage gingen zwei von ihnen nach einem Flecken namens Emmaus, der sechzig Stadien von Jerusalem entfernt war. 14 Sie sprachen miteinander von all dem, was sich zugetragen hatte. 15 Und es geschah, als sie so miteinander sich unterhielten und besprachen, nahte sich Jesus selbst und ging mit ihnen. 16 Ihre Augen aber waren gehalten, so daß sie ihn nicht erkannten. 17 Er fragte sie: Was sind das für Reden, die ihr miteinander auf dem Weg führt? Da blieben sie traurig stehen. 17: Im lateinischen Text fragt Jesus weiter: „Und warum seid ihr traurig?“ 18 Der eine, mit Namen Kleophas antwortete ihm: Bist du der einzige Fremdling in Jerusalem, der nicht weiß, was dort in diesen Tagen geschehen ist? 19 Er fragte sie: Was denn? Sie sagten: Das mit Jesus von Nazareth. Er war doch ein Prophet, mächtig in Tat und Wort vor Gott und allem Volk. 20 Ihn haben unsere Oberpriester und Ratsherrn der Todesstrafe überantwortet und gekreuzigt. 21 Wir freilich hofften, er sei es, der Israel erlösen werde; nun ist aber bei all dem heute schon der dritte Tag, seitdem dies geschehen ist. 22 Zwar haben uns einige Frauen aus unserm Kreis in Aufregung versetzt. Sie waren vor Sonnenaufgang beim Grab, 23 fanden aber den Leichnam nicht. Sie kamen mit der Kunde, sie hätten eine Erscheinung von Engeln gehabt, die sagten, er lebe. 24 Darauf gingen einige von den Unsrigen zum Grabe; sie fanden es so, wie die Frauen gesagt haben, ihn selbst aber sahen sie nicht. 25 Da entgegnete er ihnen: O ihr Unverständigen! Wie schwer wird es eurem Herzen, alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben! 26 Mußte nicht der Messias das leiden und so in seine Herrlichkeit eingehen? 27 Dann erklärte er ihnen, von Moses und allen Propheten angefangen, die Stellen, die in allen Schriften von ihm handelten. 28 So kamen sie nahe an den Flecken, wohin sie gehen wollten. Jesus tat so, Als wollte er weitergehen. 29 Doch sie nötigten ihn mit den Worten: Bleibe bei uns, denn es wird Abend, und der Tag hat sich schon geneigt! Da trat er ein und blieb bei ihnen. 30 Und es geschah, während er mit ihnen zu Tische saß, nahm er das Brot, segnete es, brach es und reichte es ihnen. 30: Die Art, wie Jesus betete und segnete, war unnachahmlich. 31 Da wurden ihre Augen aufgetan, und sie erkannten ihn; er aber entschwand ihren Blicken. 32 Da sagten sie zueinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er unterwegs mit uns redete und uns die Schriften erschloß? 33 Noch in derselben Stunde machten sie sich auf den Weg und kehrten nach Jerusalem zurück. Dort trafen sie die Elf und ihre Gefährten beisammen. 34 Diese sprachen: Der Herr ist wahrhaft auferstanden und dem Simon erschienen. 35 Nun erzählten sie, was sich auf dem Weg zugetragen hatte, und wie sie ihn beim Brotbrechen erkannt hätten. 1-35: Vgl. Mt 28,1-10; Mk 16,1-13; Jo 20,1-18. Wer die Berichte vorurteilsfrei liest, erkennt, daß bei den Jüngern und Jüngerinnen jede Voraussetzung für eine nur in der Einbildung erlebte Erscheinung des Auferstandenen fehlt.

 

Erscheinung Jesu vor den Aposteln. 36 Noch redeten sie davon, da stand er selbst mitten unter ihnen und grüßte sie: Friede sei mit euch! [Ich bin es, fürchtet euch nicht!] 37 Verwirrt und erschrocken meinten sie, einen Geist zu sehen. 38 Er sprach zu ihnen: Was seid ihr bestürzt, und warum steigen Zweifel in euren Herzen auf? 39 Seht doch meine Hände und meine Füße! Ich bin es! Betastet mich und schaut mich an! Ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr es an mir sehet. 40 Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und Füße. 41 Da sie aber vor Freude immer noch nicht glaubten und sich verwunderten, fragte er: Habt ihr etwas zu essen da? 42 Sie reichten ihm ein Stück gebratenen Fisch [und eine Honigscheibe]. 43 Er nahm es und aß es vor ihren Augen [und gab ihnen, was übrig blieb]. 36-43: Vgl. Jo 20,19-23.

 

Abschiedsrede Jesu. 44 Dann sprach er zu ihnen: Das besagten meine Worte, die ich zu euch gesprochen habe, als ich noch bei euch weilte: Alles muß sich erfüllen, was im Gesetze des Moses, in den Propheten und den Psalmen von mir geschrieben steht. 45 Darauf erschloß er ihnen den Sinn für das Verständnis der Schriften 45: Nur wenn Gott uns erleuchtet, verstehen wir den Sinn der Heiligen Schrift. Das Lehramt der Kirche ist die von Christus gesetzte Auslegerin. 46 und sprach zu ihnen: So steht es geschrieben, der Messias werde leiden und am dritten Tage von den Toten auferstehen, 47 und in seinem Namen werde bei allen Völkern, angefangen von Jerusalem, die Buße und Vergebung der Sünden gepredigt werden. 48 Ihr seid Zeugen hiervon. 49 Siehe, ich sende die Verheißung meines Vaters auf euch herab. Bleibet in der Stadt, bis ihr mit der Kraft von oben ausgerüstet werdet!

 

Himmelfahrt Jesu. 50 Hierauf führte er sie hinaus, Bethanien zu, erhob seine Hände und segnete sie. 51 Und es geschah, während er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr in den Himmel hinauf. 52 Sie beteten ihn an, dann kehrten sie mit großer Freude nach Jerusalem zurück. 53 Sie hielten sich beständig im Tempel auf und lobten und priesen Gott. 50-53: Vgl. Mk 16,19; Apg 1,6-12. Die Stätte der Himmelfahrt wird auf der mittleren Höhe des Ölbergs am Wege nach Bethanien verehrt.