Religio versus Ideologie

Versuch einer begrifflichen Klärung

 

1.   Vorbemerkung:

Es wird im Folgenden Bezug genommen auf das Konzilspapier nostra Aetate.   Bei diesem Konzilspapier  handelt es sich um eine Erklärung und nicht um ein Dekret, also ein Papier ohne Rechtsverbindlichkeit und damit auch ohne Verbindlichkeit für den Glauben.

     Nach einer Textanalyse der ersten beiden Seiten von nostra aetate ist davon auszugehen, dass der Text nicht (nur?) aus katholischer Feder stammt. Es werden darin Fragen als zu Klärende formuliert, die in der katholischen Lehre nicht offen sind und deren Beantwortung immer zum festen katholischen Glaubensgut gehörten und im Katechismus zu finden sind. 

 

2.   Religio

Die von Papst und Bischöfen heute vorgetragene  Botschaft der Kirche   an die Gläubigen lässt immer häufiger die Frage stellen ist das inhaltlich noch Religio oder ist die moderne Verkündigung  nur mehr Ideologie.

Es beginnt mit der Frage, was ist unter Religio zu verstehen. Religio entstammt der lateinischen Sprache und deswegen soll Cicero die erste Deutung gehören: Er schrieb in seinem Werk „De natura deorum“ 2,72:,,, Religio bedeutet… Alles, was für die Verehrung der Götter wichtig ist, sorgfältig bedenken, und gleichsam immer wieder durchgehen“. Oder verkürzt sprach Cicero von der Religio als „dem cultus deorum“  Übertragen auf die  monotheistischen Religionen müsste es lauten „der cultus dei“. Der nächste große Lateiner Laktanz leitet Religio von „religare“ = zurückbinden  ab. Religio wäre demnach die Bindung an den Gott, der uns erschaffen hat, dem der Mensch eine Gehorsamsleistung schuldet. Die Kirchenlehrer Augustinus (+430) und Thomas von Aquin (+ 1274) leiten religio von dem Verb reeligere = wiedererwählen ab. Es ist eine sehr christliche Interpretation, wenn sie besagen will, dass religio den Menschen immer wieder durch quasi eine Fessel frommer Verpflichtungen an Gott bindet. Für Cicero jedoch war der Cultus deorum nicht nur die die Verpflichtung den Göttern gegenüber, sondern der Cultus hatte einen zweiten Wert, er war staatstragend und er hatte etwas mit den ebenfalls staatstragenden mores (= Werten) zu tun. Ist dieses Gedankengut mit der Gottesbindung noch Teil der von den Bischöfen derzeit vorgetragenen Verkündigung? Oder werden  von den Verkündern nur mehr Werte vorgetragen, welche das Verhältnis der Menschen untereinander regeln und wird dadurch  die christliche Botschaft zur Ideologie gemacht? Sind die geforderten Werte nur mehr staats- bzw. gesellschaftstragend?

 

3.   Nostra aetate

Das Konzilsdokument nostra aetate gibt in der Einführung eine vollkommen andere Antwort: „Die Menschen erwarten von den verschiedenen Religionen – Antwort auf die ungelösten Rätsel des menschlichen Daseins, die heute wie von je die Herzen der Menschen im tiefsten bewegen:

·        Was ist der Mensch?

·        Was ist Sinn und Ziel unseres Lebens?

·        Was ist das Gute, was die Sünde?

·        Woher kommt das Leid, und welchen Sinn hat es?

·        Was ist der Weg zum wahren Glück?

·        Was ist der Tod, das Gericht und die Vergeltung nach dem Tode?

·        Und schließlich: Was ist jenes letzte und unsagbare Geheimnis unserer Existenz, aus dem wir kommen und wohin wir gehen?“

Wohlgemerkt das Konzilsdokument spricht verschiedene Religionen an. Es gibt nicht nur die Katholische Religion-Antwort auf die ungelösten Rätsel des menschlichen Daseins, die heute wie von je die Herzen der Menschen im tiefsten bewegen:

Nostra aetate spricht nicht mehr von den Verpflichtungen des Menschen zur Gottesverehrung, dem cultus dei, sondern von der Erwartungshaltung der Menschen an die Religion. Das Konzilsschreiben gibt keine Antwort was der Mensch  machen soll, wenn seine Fragen nicht klar beantwortet werden können, etwa was ist der Tod oder die Frage nach dem Gericht sowie die Frage nach der Wahrheit, vor allem dann, wenn die Meinung der Theologen dazu keine gefestigte ist. Die Folgen sind an den Austrittszahlen aus den Religionsgemeinschaften, vor allem der christlichen zu erkennen. Der entstandene Deutungsverlust wird durch Bindungen an Ideologien ohne religiöse Bindungen  kompensiert. Die normative Beeinflussung des Menschen durch die Religion ist eine Folge des Glaubens an die Transzendenz

 

4.   Ideologie

Der zweite Begriff „Ideologie“ leitet sich aus den griechischen Wörtern „Ideos“und Logos“ ab. Beide Worte haben ein breites Bedeutungsspektrum und es soll auch nur die Hauptbedeutung diskutiert werden:

1.     Idea    = Aussehen, Erscheinungsbild,Art,  Vorstellung Urbild + Idee, aber auch Form, Gattung , Art

2.     Logos = das Wort, die Rede, der Begriff, der Lehrsatz, die Lehre, die Vernunft. Biblisch bedeutet der Begriff logos aber auch Gott, Gottes-Verkündung , - Lehre, Offenbarung. Es kann aber auch ein Gegenstand über den gesprochen wird als logos bezeichnet werden. Das NT beginnt mit dem Begriff logos. „ Im Anfang war das Wort.“…in Ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen… (Joh. 1,1 – 14)

Nach dem Bedeutungsspektrum ist unter dem Wort Ideologie eine Lehre zu verstehen , welche ein Vorstellung vermittelt , über den Sinn des Lebens, über Normen, Gesellschaftsziele, Werte jedoch ohne dabei nach der Transzendenz zu fragen oder gar in der Gottesfrage eine Voraussetzung für die Beantwortung dieser Fragen zu erkennen

Ideologisch können  handeln Staaten, Gruppen und Menschen.

Ideologen wollen  nach ihren Ideen die Gesellschaft umwandeln.. Es gibt keine freie Entscheidung, die Ideologie bestimmt. Es gibt auch keine analytische Hinterfragung der Ideologie. Die Ideologie ist Dogma. Es gibt keine Gottesbindung, keine Moral aber eine normative Gewalt.  Keine Frage nach der Wahrheit

Zusammengefasst  ist die Ideologie eine Pseudoreligion, ohne die Frage nach der höheren Macht, der Transzendenz und ohne die Frage nach der Wahrheit. Sie kann ein Herrschaftssystem für eine Gruppe oder eine Gesellschaft sein. Darin liegt genau der Unterschied zur Religion sie will den Kultus dei und die damit verbundenen mores nicht.

 

5.   De natura dei (deorum)

Die logische Endfrage stellte wiederum Cicero, indem er nach der natura deorum fragte. Eine Frage, die in jüngster Zeit von Papst Benedikt XVI. in seiner Regensburger Rede bezogen auf die Unterschiede  der christlichen und islamischen Gottesvorstellung mit großer Klarheit und ohne Widerspruch  beantwortet wurde. Wer die Reaktionen der Politik auf diese Rede Benedikts in Regensburg beobachtet und beurteilt hat, weiß um die zukünftigen Gefahren.  

 

6.   Schlussbeurteilung -  Religio versus Ideologie

Ideologien sind deshalb unmenschlich, weil sie den Dialog über die Wahrheit unterbinden.

Da die Fragen nach der Natur der Transzendenz, oder genauer der Natur Gottes und der Dialog über die Wahrheit in der Diskussion der Kirche immer weiter in den Hintergrund der heutigen Diskussion treten, besteht die Gefahr, dass aus der  Religio der einen heiligen, apostolischen und katholischen Kirche eine reine Ideologie mit dem Ziel einer soziologischen Gesellschaftslenkung wird.