Die Kniebeuge - Kleinwerden vor Gott

Nachgedacht - in der Wett christlicher Zeichen und Gesten

Unsere Welt ist erfüllt mit Zeichen und Symbolen. Zeichen wollen auf etwas hinweisen. Manche muss man erklären, andere erschließen sich von selbst. Blumen, die man schenkt, brauchen keinen Kommentar und eine herzliche Umarmung spricht für sich. Manchmal tun wir uns schwer, etwas, das eigentlich unsagbar ist, recht und richtig auszudrücken. Eine Geste kann das Gemeinte leichter deutlich machen. Eine alte Erfahrung sagt: Wenn das Reden versagt oder schwerfällt, kommen die Zeichen. Sie sind schweigend, weil sie unser Schweigen brauchen, um erkannt zu werden.

Jesus selbst kniete und betete zu Gott

Auch unser Umgang mit Gott braucht Zeichen und Symbole. Die Liturgie hält eine Fülle bereit: Die Kniebeuge, unser Händefalten, das bewusste Kreuzzeichen, das Verneigen und viele andere Gesten. Gott und sein Wirken sind uns im gottesdienstlichen Geschehen nicht immer unmittelbar und unverhüllt zugänglich, deshalb müssen sie zeichenhaft vermittelt werden. Das reiche Spektrum des liturgischen Geschehens begegnet uns freilich nicht in jeder Feier gleichermaßen.

So war es für viele Teilnehmer des Fronleichnamsgottesdienstes vor dem Kölner Dom jetzt überraschend, dass zu Beginn der Eucharistiefeier in aller Form die Bitte an die vielen Gläubigen gerichtet wurde, wem es körperlich möglich sei, die Geste der Kniebeuge während der Wandlung mitzuvollziehen. (*) War damit gemeint, dass gemeinsames Hinknien uns jeder Vereinzelung entreißt und verbindet zu einer lebendigen Gemeinschaft derer, die Gott feiern? In der Allgemeinen Einführung in das Römische Messbuch heißt es an einer Steile: „Wenn die Platzverhältnisse oder eine große Teilnehmerzahl oder andere vernünftige Gründe nicht daran hindern, soll man zum Einsetzungsbericht knien." Das spricht nicht gegen das „Stehen" als typisch österliche Haltung an den österlichen Sonntagen.

Das Knien ist vor allem die Haltung bei der Anbetung des Aller-heiligsten. Sowohl wenn man alleine betet oder in Gemeinschaft.

An Weihnachten und am Hochfest der Verkündigung des Herrn (25. März) ist das Niederknien bei den Worten des Glaubensbekenntnisses zur Menschwerdung offiziell vorgesehen „... und das Wort ist Fleisch geworden durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden".

Unsere Kniebeuge ist ein Wegweiser in die Tiefe, in das Herz der Dinge. Wer seine Knie beugt, der macht sich kleiner und ist dem Boden näher. Macht er die Kniebeuge vor Gott, versinnbildlicht er damit seine Begrenztheit. Im Knien vor dem Höchsten anerkenne ich ohne Worte die Größe des Allmächtigen. Ich knie vor seiner Heiligkeit und weiß um mich selbst.

Das hat nichts mit der Unterwürfigkeit der Heiden vor ihren Götzenbildern zu tun. Niederknien mag für manche demütigend scheinen. Ist es aber nicht. Niederknien macht nicht erniedrigend, sondern bescheiden. Das Wesen der Demut ist erfüllt, indem man nicht andere, sondern sich selbst bescheidet.

Die Kniebeuge ist ein Wegweiser in die Tiefe

Mein Kleinwerden vor Gott verweist mich also auf meinen Platz als Geschöpf. Aber als geheiligtes Geschöpf, denn Gott hebt mich auf und erhöht mich als sein Kind. Knien ist für mich Ausdruck der Ehrfurcht und der Anbetung. Zudem ist kniend zu beten allgemein menschlicher Brauch, der auch von Jesus bezeugt ist: In der Ölbergszene, wo er sich auf die Erde wirft und den Vater im Himmel anfleht (Mk 14,35) und beim Evangelisten Lukas heißt es: „Er kniete nieder und betete" (Lk 22,41). Im Kleinwerden vor Gott liegt etwas Tröstliches: Ich muss mich vor Gott nicht groß und größer machen. Er verlangt von mir nicht den Helden zu spielen, aufzufallen oder Außergewöhnliches zu leisten. Ich darf mich an meine gewöhnlichen Gaben und Fähigkeiten halten. Es bedeutet, schwach sein zu dürfen und erlaubt, die eigene Verletzlichkeit und das Versagen zuzugeben.

Die heilige Edith Stein berichtet aus der Zeit ihrer Gottsuche und des Zweifelns - sie hatte ihren jüdischen Glauben verloren - wie sie eines Tages um die Mittagszeit eine katholische Kirche aufsucht, um etwas Ruhe zu finden. Eine ältere Frau, bepackt mit schwerer Markttasche, betritt das offensichtlich leer scheinende Gotteshaus. Sie stellt die Markttasche ab und macht vor dem Tabernakel eine tiefe, ehrfürchtige Kniebeuge zur Verehrung des Allerheiligsten.

Edith Stein fühlt sich davon tief berührt in der Gewissheit, dass die ehrfürchtige Begegnung mit dem Allerheiligsten auch rückwirkende Kraft auf das eigene Leben hat. Es wurde für sie ein Schlüsselerlebnis für spätere Entscheidungen.

Und noch dies: Es gibt Landstriche, wo es üblich ist, beim Betreten und beim Verlassen der Kirche eine Kniebeuge zu machen. Es ist die Einladung aus Psalm 95,6: „Kommt, lasst uns niederfallen und vor ihm verneigen, lasst uns niederknien vor dem Herrn, unserem Schöpfer!" Wo die Zeichen zu Wort kommen, kann die Sprache zu Wort kommen.

Prälat Erich Läufer

1927 in Aachen geboren

Theologe, Pädagoge und jahrelanger Chefredakteur der Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln

Quelle: Kölner Kirchenzeitung, 23. Juni 2017

 

 (*) "Geste der Kniebeuge während der Wandlung mitzuvollziehen":

Bewusst meidet die Kölner Kirchenzeitung Themen wie "Warum kniet Bergoglio nicht vor der Eucharistie, so unter anderem während der Wandlung. Themen wie "Amorius Laetitia" werden wohl angeschnitten, aber beschönigt. Die volle Wahrheit wird verschwiegen oder manipuliert.

Dieser Text von Prälat Läufer hebt sich allerdings positiv ab.